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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Jona.
    Bald darauf dankte er ihnen und wünschte ihnen eine geruhsame Nacht. Es waren gute Männer, aber wenn er keinen Minjan echter Juden haben konnte, wollte er auch die widerwillige Teilnahme dieser Abtrünnigen nicht, die nur beteten, um ihm einen Gefallen zu tun. Er wußte, er würde mehr Trost finden, wenn er alleine betete, wie er es schon seit vielen Jahren tat.
    An diesem Abend in Adrianas Haus hielt er einen Holzspan an ihr Kochfeuer, bis er brannte, und zündete damit ihre Lampe an. »Setz dich, Adriana«, sagte er. »Es gibt Dinge, die ich dir sagen muß.«
    Im ersten Augenblick erwiderte sie gar nichts. »...Geht es darum, daß du bereits eine Frau hast?«
    »Ich habe bereits einen Gott.«
    In knappen Worten erzählte er ihr, daß er ein Jude sei, dem es gelungen war, seit seiner Kindheit sowohl der Konversion wie der Inquisition zu entgehen. Aufrecht und still saß sie auf ihrem Stuhl, hörte ihm zu, und ihr Blick verließ nie sein Gesicht.
    »Ich wurde gefragt, ob ich hier in Pradogrande bleiben will, von deinem Vater und anderen. Aber ich könnte hier nicht leben, wo jeder alles vom anderen weiß. Ich kenne mich. Ich würde mich nicht ändern, und früher oder später würde mich jemand aus Angst verraten.«
    »Lebst du an einem sichereren Ort?«
    Er erzählte ihr von der hacienda, auf der er abgeschieden und sicher leben konnte, nahe genug an der Stadt, aber doch vor neugierigen Blicken geschützt. »Die Inquisition ist dort zwar einflußreich, aber man hält mich für einen Alten Christen. Ich gehe zur Messe. Ich bezahle der Kirche den Zehnten meines hervorragenden Einkommens. Man hat mich noch nie behelligt.«
    »Bring mich weg von hier, Jona.«
    »Ich würde dich gerne als meine Frau nach Hause führen, aber ich bin voller Angst. Wenn man mich eines Tages entlarvt, werde ich brennen. Und meine Frau hätte einen schrecklichen Tod zu erwarten.«
    »Ein schrecklicher Tod kann jederzeit über jeden kommen«, sagte sie gelassen, und wieder erkannte er, daß sie immer nüchtern und vernünftig dachte. Jetzt stand sie auf, kam zu ihm und drückte ihn fest. »Es ehrt mich, daß du dein Leben in meine Hände gibst, indem du dich mir anvertraust. Du hast bis jetzt überlebt. Wir werden gemeinsam überleben.« Ihr Gesicht war feucht an dem seinen, und doch spürte er, wie ihre Mundwinkel sich zu einem Lächeln hoben. »Ich glaube, du wirst in meinen Armen sterben, wenn wir beide sehr alt sind... Wir müssen sofort von hier weg. Die Leute in diesem Tal sind so furchtsam. Wenn sie wissen, daß du ein Jude bist und von der Inquisition gesucht wirst, bringen sie dich eigenhändig um. Merkwürdig«, sagte sie. »Dein Volk war auch mein Volk. Als ich noch ein kleines Kind war, beschloß mein Großvater Isaak, daß wir nicht länger Juden sein dürfen. Und doch bereitete meine Großmutter Suleika für den Rest ihres Lebens jeden Freitagabend ein Festmahl für die ganze Familie zu und entzündete die Sabbatkerzen. Ich habe noch ihre kupfernen Kerzenhalter.« »Die nehmen wir mit.«
    Als am nächsten Morgen die Schwärze der Nacht dem ersten grauen Licht wich, brachen sie auf und ritten den steinigen Pfad hoch, der aus dem Tal herausführte. Jona war ängstlich; er erinnerte sich an einen anderen Ritt bei Tagesanbruch, mit Manuel Fierro, an jenen Morgen, als wie aus dem Nichts ein Pfeil gekommen war, um das Leben des Mannes zu beenden, den er immer noch als seinen Meister betrachtete.
    Jetzt versuchte niemand, sie zu töten. Dennoch blieb er wachsam und ließ die Pferde laufen, bis sie den Gebirgspfad verlassen hatten und auf die Straße nach Huesca eingebogen waren, doch von Verfolgern war nie etwas zu sehen.
    Immer wenn er sie anschaute, hätte er am liebsten gejauchzt vor Glück.
    In Huesca sah er, daß die Familie Aurelio bereits ein großes Bündel Theriak in ausgezeichneter Qualität vorbereitet hatte. Kurze Zeit darauf hatte er sein Lasttier aus dem Stall geholt, und sie waren wieder unterwegs. Von nun an beeilte er sich nicht mehr, sondern achtete darauf, die Tagesstrecken kurz zu halten, damit Adriana sich nicht überanstrengte.
    Unterwegs gestand er ihr die Ausflüchte, die er in Pradogrande benutzt hatte – daß er nicht aus Guadalajara stamme und sie sich daran gewöhnen müsse, die Frau von Ramón Callicó, dem Medicus von Saragossa, zu sein. Adriana verstand sofort den Grund für seine Lügen. »Ich mag den Namen Ramón Callicó«, sagte sie, und von da an nannte sie ihn auch so, um sich daran zu

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