Der Medicus von Saragossa
Scheune zurückkehrten, wartete Rodolfo Garcia bereits auf sie.
»Ich frage mich, ob Ihr mir wohl helfen könnt, Señor. Es geht um eine meiner besten Säue. Sie versucht zu werfen, aber nach einem ganzen Tag Wehen rührt sich noch immer nichts. Ich weiß, daß Ihr ein Arzt für Menschen seid, aber...«
Und so brach Jona in Garcias Begleitung unverzüglich zum Schweinestall auf, wo die trächtige Sau schwach atmend und offensichtlich in Schwierigkeiten auf der Seite lag. Er zog sein Hemd aus und schmierte sich Hand und Arm mit Schmalz ein. Mit wenigen Handgriffen zog er ein dralles totes Ferkel aus der Sau, und es war, als hätte er eine Flasche entkorkt. Innerhalb kurzer Zeit kamen acht lebendige Ferkel hervor und saugten schon bald darauf die Milch ihrer Mutter.
Jonas Bezahlung bestand aus einem Bad. Garcias Zuber wurde in die Scheune gebracht, und der Schweinezüchter trug zwei große Töpfe heißes Wasser herbei. Zufrieden saß Jona in der Wanne und schrubbte sich sauber. Als er in Benzaquens Haus zurückkehrte, fand er auf dem Tisch einen von Lea Chazan für ihn hergerichteten, abgedeckten Teller mit Brot und einem kleinen Käse sowie einen Becher mit süßem, leichtem Wein. Jona aß, ging dann nach draußen und pinkelte im Mondlicht an einen Baum. Anschließend kletterte er in den Heuschober, zog seine Decke vor die unverglaste Fensterluke, damit er die Sterne sehen konnte, und schlief sofort ein.
Am Sonntag morgen begleitete er Mica und Lea zur Kirche, wo er sah, daß Adriana neben ihrem Vater saß und dessen Frau neben ihm auf der anderen Seite. Es gab zwar leere Bänke, doch Jona ging direkt zu Adriana und setzte sich neben sie. Lea und Mica folgten ihm und nahmen links von ihm Platz.
»Guten Morgen«, sagte er zu Adriana.
»Guten Morgen.«
Er wollte noch mit ihr reden, doch der Beginn des Gottesdienstes verhinderte es. Padre Serafino hielt die Messe sachlich und nüchtern. Manchmal berührten sich ihre Körper, wenn sie sich hinknieten oder aufstanden. Jona war sich bewußt, daß die Leute sie beobachteten.
Padre Serafino verkündete, daß er am Vormittag zur westlichen Weide kommen würde, um den Bewässerungsgraben zu segnen. Nach dem Schlußgesang stellten die Gläubigen sich in einer Reihe auf. Während der Priester zum Beichtstuhl ging, sagte Lea, wenn Señor Toledano nicht zu beichten wünsche, sollten sie am besten sofort gehen, da sie Erfrischungen vorbereiten müsse für die Einwohner von Pradogrande; diese würden heute in ihr Haus kommen, um ihren Gast kennenzulernen und ihm die Ehre zu erweisen. Erleichtert folgte Jona ihr zur Tür hinaus.
Die Besucher kamen beladen mit Geschenken für ihn, Honigkuchen, Olivenöl, Wein, einem kleinen Schinken. Jacob Orabuena schenkte ihm eine bemerkenswerte Schnitzerei, eine Drossel in vollem Flug, lebensecht bemalt mit Farben, die er aus Waldkräutern gewonnen hatte. Adriana kam mit Vater und Stiefmutter, aber er fand keine Gelegenheit, allein mit ihr zu reden. Nach einer Weile ging sie wieder, und er kochte innerlich vor Wut.
12. Adriana Chacon
A driana hatte beobachtet, wie Jona in Micas Scheune Patienten behandelte, und es beeindruckte sie, wie vertieft er – in seine Arbeit war und wie ehrerbietig er jeden Patienten behandelte. Sie sah, daß er ein sanfter Mann war.
»Anselmo Montelvan ist wütend«, sagte ihr Vater am Sonntag zu ihr. »Er sagt, man sieht dich zu häufig mit diesem Arzt. Er sagt, das entehrt seinen Sohn, deinen Verlobten.«
»Anselmo liegt nur wenig an seinem Sohn und erst recht nichts an mir«, erwiderte sie. »Ihm geht es nur darum, das Land in die Finger zu bekommen, das seinem Vater gehörte.«
»Es wäre am besten, wenn man dich nicht mehr mit Señor Toledano sieht. Außer natürlich, wenn du glaubst, daß seine Absichten ernsthaft sind. Es wäre gut, wenn wir ein Arzt hätten, der hier im Dorf lebt.«
»Ich habe keinen Grund zu glauben, daß er überhaupt irgendwelche Absichten hat«, sagte sie gereizt.
Trotzdem machte ihr Herz einen Satz, als Jona Toledano am Montag morgen an ihrer Tür erschien.
»Geht Ihr mit mir spazieren, Adriana?«
»Ich habe Euch doch schon beide Seiten des Tales gezeigt, Señor.«
»Bitte, zeigt sie mir noch einmal.«
Gemächlich plaudernd schlenderten sie wieder am Bach entlang. Mittags nahm er seine Angelschnur aus der Tasche und ein winziges Döschen mit Würmern, die er in dem frisch ausgehobenen Graben in der Wiese gesammelt habe, wie er sagte. Sie ging nach Hause, um eine glühende
Weitere Kostenlose Bücher