Der Medicus von Saragossa
einem Feld mit grünen Zwiebeln vorbei. Da er eine große Leere im Magen verspürte, stieg er ab, zog einige Zwiebeln aus der Erde und aß sie hungrig. Beim nächsten Weinberg pflückte er sich ein Büschel Trauben, die zwar nicht ganz reif, aber voller säuerlichem Saft waren. Mit seinen Münzen hätte er sich Brot kaufen können, aber er wagte es nicht, weil er fürchtete, daß man ihn ausfragte.
An einem Bewässerungsgraben, der ein kleines Rinnsal Wasser führte, hielt er an, um den Esel am Rand grasen zu lassen und selbst ein wenig zu rasten. Als die Sonne aufging, saß er am Graben und dachte über seine mißliche Lage nach. Möglicherweise war es doch angebracht, sich ein festes Ziel auszusuchen. Wenn er schon fliehen mußte, lenkte er seinen Esel vielleicht besser gleich in Richtung Portugal, wohin einige der Juden Toledos gegangen waren.
Inzwischen waren Arbeiter mit Hacken und Macheten aufgetaucht. Jetzt entdeckte Jona auch ihre Hütten am anderen Ende des Feldes und Gruppen von Männern, die Gestrüpp jäteten und zu Haufen stapelten. Die meisten von ihnen achteten nicht auf den Jungen mit dem Esel, und Jona ließ sein Tier weitergrasen, bis es satt war. Erstaunt über die Gutmütigkeit des Esels und über seine Folgsamkeit, spürte Jona Dankbarkeit in sich aufsteigen.
Der Esel muß einen Namen haben, beschloß er, und im Weiterreiten dachte er darüber nach.
Das Feld war noch kaum außer Sicht, als er hinter sich das beklemmende Donnern galoppierender Hufe hörte. Er lenkte den Esel schnell an den Wegrand, um den Trupp in Sicherheit beobachten zu können. Es waren acht Berittene, doch zu Jonas Bestürzung zogen sie nicht an ihm vorüber, sondern hielten an.
Es war ein Spähtrupp, sieben Soldaten mit ihrem Offizier, grimmig dreinblickende Männer, die mit Piken und Kurzschwertern bewaffnet waren. Einer der Soldaten saß ab und pinkelte laut in den Graben.
Der Offizier musterte Jona. »Wie nennt man dich, Junge?«
Jona bemühte sich, nicht zu zittern. In seiner Angst klammerte er sich an den Namen, den er in Toledo noch ausgeschlagen hatte. »Ich bin Tomas Martin, Euer Exzellenz.«
»Wo ist dein Zuhause?«
Bestimmt hatten die Feldarbeiter diesen Männern verraten, daß sie einen Fremdling gesehen hatten. »Im Augenblick komme ich aus Cuenca«, sagte Jona.
»Und hast du auf deinem Ritt von Cuenca Juden gesehen?«
»Nein, Euer Exzellenz. Keine Juden«, erwiderte Jona, der seine Angst zu verbergen suchte.
Der Offizier lächelte. »Und wir auch nicht, obwohl wir suchen. Jetzt sind wir sie endlich los. Sie sind entweder geflohen oder konvertiert oder in Fesseln geschlagen.«
»Sollen sich die anderen mit ihnen herumärgern«, sagte der abgesessene Soldat, der Pinkler. »Die verdammten Portugiesen werden ihre helle Freude an ihnen haben. Schon jetzt sind sie in Portugal die reinste Plage, so viele, daß man sie dort erschlägt wie Ungeziefer.« Er kicherte und schüttelte sein Glied.
»Was ist dein Ziel?« fragte der Offizier beiläufig.
»Ich bin unterwegs nach Guadalupe«, sagte Jona.
»Ah, eine weite Reise. Was gibt es in Guadalupe?«
»Ich gehe dorthin... auf der Suche nach dem Bruder meines Vater, Enrique Martin.« Das Lügen war gar nicht schwer, das merkte er nun. Und um noch eins draufzusetzen, fügte er hinzu, daß er Cuenca verlassen habe, weil sein Vater im Jahr davor als Soldat im Kampf gegen die Mauren gefallen sei.
Die Züge des Offiziers wurden weicher. »Ein Soldatenschicksal... Du siehst kräftig aus. Willst du arbeiten, damit du dir auf der Reise nach Guadalupe Essen kaufen kannst?«
»Essen wäre sehr gut, Euer Exzellenz.«
»Auf dem Gut von Don Luis Carnero de Palma braucht man kräftige junge Arbeiter. Es ist der nächste Hof an dieser Straße. Sag Jose Galindo, daß Capitan Astruells dich schickt«, sagte der Offizier.
»Ich danke Euch sehr, Capitan!«
Der Pinkler kletterte wieder in den Sattel, und die Männer ritten davon, während Jona ihnen erleichtert nachsah und ihren Staub schluckte.
Der Hof, von dem der Capitán gesprochen hatte, war sehr groß, und schon von der Straße aus sah Jona, daß hier viele Arbeiter ihr Brot verdienten. Plötzlich kam ihm der Gedanke, daß er vielleicht doch nicht vorbeireiten sollte, wie es seine Absicht gewesen war; immerhin hatten die hiesigen Soldaten ihm seine Geschichte abgenommen, während man sich in anderen Landstrichen – zu seinem Schaden – als mißtrauischer erweisen könnte.
Kurz entschlossen lenkte er seinen Esel auf
Weitere Kostenlose Bücher