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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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bleiben, wer er sei, Jona ben Helkias Toledano vom Stamme Levi.
    Trotz der hereinbrechenden Dunkelheit durchsuchte er das ganze Haus.
    Alle silbernen Mesusa, die kleinen Kapseln mit Zitaten aus der Schrift, waren von den Türpfosten gerissen worden. Alles von Wert war aus der Werkstatt verschwunden, sogar die Bodendielen waren aufgerissen worden. Die Eindringlinge hatten alles Geld gefunden, das Helkias für die Flucht aus Spanien hatte zusammenraffen können. Aber das Versteck mit einer Handvoll kleiner Münzen hinter einem losen Stein in der Nordwand des Hauses hatten sie nicht entdeckt – achtzehn Sueldo, die sich Jona und Eleasar als ihren persönlichen Schatz zusammengespart hatten. Es war zwar nicht viel, aber einige Kleinigkeiten konnte er sich dafür kaufen, und so formte er aus einem schmutzigen Lumpen einen Beutel und steckte die Münzen hinein.
    Auf dem Boden lag ein Stück Pergament, das jemand aus einer Mesusa gerissen und achtlos weggeworfen hatte, und er las die Inschrift: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen dir ins Herz geschrieben sein.
    Zuerst wollte er das Pergament in den Beutel mit den Münzen stecken. Doch plötzlich dachte er mit kaltem, klarem Verstand, und es kam ihm, daß es seinen Tod bedeuten konnte, wenn man diesen Fetzen bei ihm fand. Er faltete das Fragment zusammen und steckte es zusammen mit dem Brief an seinen Bruder hinter den Stein, wo er und Eleasar ihre Münzen aufbewahrt hatten. Dann verließ er das Haus.
    Kurz darauf kam er an Marcelo Trocas Wiese vorüber. Onkel Aaron hatte die Pferde mitgenommen, aber die beiden Esel, die sein Vater gekauft hatte, waren noch dort angebunden und fraßen Abfälle. Als Jona auf den größeren der beiden zuging, scheute der und trat nach ihm. Aber der andere, ein kleineres und schwächlich aussehendes Tier, sah ihn friedlich an und erwies sich als fügsamer. Als Jona den Esel losband und bestieg, trottete er, den Stößen von Jonas Fersen gehorchend, brav davon. Er hatte offenbar zu viele Abfälle gefressen und ließ ständig übelriechende Winde ab, aber sonst schien er ein angenehmer Reisegenosse zu sein.
    Es war gerade noch so hell, daß der Esel den steilen Pfad sicheren Schritts zurücklegen konnte. Als sie den Fluß überquerten, ragten die Ausbisse purpurnen Schiefers wie drohend schwarze Zähne im letzten Tageslicht auf.
    Jona hatte kein festes Ziel. Sein Vater hatte gesagt, der Allmächtige würde ihnen immer den richtigen Weg weisen. Nun, der gegenwärtige war nicht gerade vielversprechend, doch nachdem Jona sich ein Stückchen vom Fluß entfernt hatte, senkte er die Zügel und ließ sich vom Esel und dem Herrn führen, wohin sie wollten. Er fühlte sich weder wie ein stolzer Kaufmann noch wie ein Ritter. Ohne Freund auf einem furzenden Esel ins Unbekannte zu reiten war nicht gerade das Abenteuer, das er sich erträumt hatte.
    Einen Augenblick lang hielt er sein Reittier an und schaute noch einmal zurück nach Toledo, das jetzt hoch über ihm lag. In einigen Fenstern leuchteten warm die Öllampen, und jemand ging mit einer Fackel die vertraute schmale Straße am Hochufer entlang. Aber es war niemand, der ihn liebte, und so drückte er dem Esel die Knie in die Flanken und drehte sich nicht wieder um.

Teil III
Der Knecht
    Kastilien, 30. August 1492

1. Ein Mann mit einer Hacke
    D er Unbeschreibliche und der kleine Esel führten Jona die ganze Nacht südwärts, unter Deinem runden, ziehenden Mond, der ihnen Gesellschaft leistete und dem Esel den Weg erhellte. Jona wagte nicht anzuhalten. Der Priester, der mit Benito zum Haus der Martins gekommen war, hatte sicherlich sofort berichtet, daß ein ungetaufter Jude flüchtig sei und die Christenheit bedrohe. Um sein Leben zu retten, hatte Jona vor, sich so weit wie möglich von Toledo zu entfernen.
    Seitdem er seine Heimatstadt verlassen hatte, ritt er durch offenes Land. Hin und wieder tauchte der schattige Umriß einer finca, eines Bauernhofs, neben dem Pfad auf. Immer wenn ein Hund bellte, trieb er sein Tier mit den Fersen zum Traben an, und so zog er an den wenigen Behausungen vorbei wie ein Geist auf einem Esel.
    Im ersten Licht der Morgendämmerung sah er, daß sich die Landschaft verändert hatte – sie war weniger hügelig als die Gegend zu Hause, und die Höfe waren größer.
    Die Erde mußte hier sehr gut sein; er kam an einem Weinberg, einem riesigen Olivenhain und

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