Der Medicus von Saragossa
haßerfüllt und hassenswert geworden war, während der Zigeunerzwerg Mingo soviel Güte in seinem kleinen Körper versammelte.
Jonas eigener großer Körper war wund vom zu langen Reiten, und seine Seele schmerzte vor Verlassenheit, denn nachdem er bei den Roma soviel Wärme und Herzlichkeit erlebt hatte, fiel es ihm sehr schwer, wieder zum einsamen Wanderer zu werden. Und auch an Ines Saadi Denia dachte er oft, obwohl er wußte, er würde es hinnehmen müssen, daß ihre Lebenswege von nun an in ganz verschiedene Richtungen führten.
Doch es gab noch einen anderen Verlust, über den er sich ein wenig länger nachzugrübeln gestattete. Mehr als drei Jahre war ein Lasttier sein einziger und ständiger Gefährte gewesen, ein williger und anspruchsloser Freund. Es würde lange dauern, bis er die Trauer über den Verlust des Esels, den er Mose nannte, überwunden hatte.
Teil V
Der Waffenschmied von Gibraltar
Andalusien, 12. April 1496
1. Ein gewöhnlicher Seemann
D ie Pferdehändler blieben zu lange in Baena, weil der Zigeuner, dem sie dort fünf Pferde übergaben, für sie ein Fest veranstaltete, und auch in Jaen, wo sie noch einmal ein halbes Dutzend Tiere ablieferten. Als auch die restlichen neun Tiere bei ihrem Käufer, einem Händler in Andújar, angelangt waren, hatten Jona und die Brüder schon fast einen ganzen Tag verloren. Nun endlich ritten sie zum Hafen und hätten eigentlich erwartet, daß das Schiff aus Afrika bereits an- und wieder abgelegt hatte, doch es lag tatsächlich noch am Pier vertäut. Macot wurde von dem Kapitän, einem Berber im Burnus mit einem langen, buschigen grauen Bart, herzlich begrüßt. Er übernahm Macots Paket und erklärte, daß auch sein Schiff Verspätung habe. Aus Tanger hatte er eine Ladung Hanf mitgebracht, die er auf der Fahrt den Fluß hoch verkauft hatte, und er würde nach Tanger zurückkehren, nachdem er in Cordoba, Sevilla, den kleinen Häfen am Golf von Cadiz und in Gibraltar Ladung an Bord genommen hatte.
Macot sprach ernst mit dem Seemann und deutete dabei auf Jona, und der Kapitän nickte ohne Begeisterung, nachdem er ihm eine Weile zugehört hatte.
»Es ist abgemacht«, sagte Macot zu Jona. Die Brüder umarmten ihn. »Geh mit Gott«, sagte Macot.
»Mögt auch ihr mit Gott gehen«, erwiderte Jona. Als sie, mit seinem Pferd an der Leine, davonritten, sah er ihnen wehmütig nach und wünschte sich, er könnte mit ihnen nach Granada zurückkehren.
Der Kapitän machte ihm sofort klar, daß er als Handlanger und nicht als Gast reisen würde, und Jona mußte sich in die Mannschaft einreihen, die gerade für Afrika bestimmtes Olivenöl einlud.
An diesem Abend, während der arabische Kapitän seinen flachen Kahn auf der starken Strömung des oberen Guadalquivir flußabwärts treiben ließ, saß Jona, mit dem Rücken an ein großes Ölfaß gelehnt, an Deck. Während die dunklen Ufer an ihnen vorbeizogen, spielte er leise auf seiner Gitarre und versuchte nicht daran zu denken, daß er keine Ahnung hatte, wohin sein Leben ihn führte.
Auf dem afrikanischen Schiff war er der Niedrigste der Niedrigen, denn er mußte alles über das Leben an Bord lernen, vom Setzen und Einholen des einzigen dreieckigen Segels bis zur sichersten Art, die Last in dem offenen Fahrzeug zu verstauen, damit sich im Falle eines Sturms keine Kiste oder Tonne losriß und das Schiff beschädigte oder sogar zum Kentern brachte.
Der Kapitän, Mahmouda mit Namen, war ein roher Kerl, der mit den Fäusten zuschlug, wenn ihm etwas nicht paßte. Die Mannschaft – zwei Schwarze, Jesus und Álvaro, und zwei Araber, Yephet und Darb, die sich beim Kochen abwechselten – schlief unter den Sternen oder im Regen, wo immer sie gerade ein Plätzchen fand. Alle vier waren aus Tanger, muskulöse peónes, mit denen Jona gut auskam, weil sie jung und lebhaft waren. Wenn er nachts die Gitarre spielte, sangen manchmal diejenigen, die keine Wache hatten, mit ihm, bis Mahmouda sie anschrie, sie sollten endlich ihre Klappe halten und sich schlafen legen.
Die Arbeit war nicht sonderlich schwer, außer wenn sie einen Hafen erreichten. In den dunklen ersten Stunden des dritten Tages, den Jona an Bord verbrachte, legte das Schiff in Cordoba an, um noch mehr Ladung aufzunehmen. Jona arbeitete mit Álvaro zusammen, und jeder faßte ein Ende der großen und schweren Kisten. Sie schufteten im Licht von Pechfackeln, die einen fürchterlichen Gestank verströmten. Am anderen Ende des Piers wurde eben eine Gruppe
Weitere Kostenlose Bücher