Der Medicus von Saragossa
darauf wartete, kam ein alter Mann in die Schenke und setzte sich auf den freien Platz neben Jona. »Ich bekomme eine Schale Wein, Señor Bernáldez«, rief er dem Wirt zu, der ihn nur angrinste und frischen Eintopf in Jonas Schüssel löffelte.
»Nur wenn du unter diesen braven Männern einen Gönner findest«, gab er ihm zur Antwort, und die Männer an den Tischen lachten, als hätte er etwas sehr Lustiges gesagt.
Der alte Mann hatte runde Schultern und weiche Züge; sein schütteres weißes Haar und die Verletzlichkeit in seinem Gesicht erinnerten Jona sofort an Geronimo Pico, den alten Schäfer, dessen Sterben er begleitet und dessen Herde er für einige Jahre gehütet hatte. »Gebt ihm etwas zu trinken«, sagte er zum Wirt. Doch dann dachte er an seine beschränkten Mittel und fügte hinzu: »Einen Becher, keine Schale.«
»Ah, Vicente, da hast du dir aber einen großzügigen Spender aufgetan!« rief ein Mann am anderen Tisch. Er sagte es höhnisch und ohne Humor, dennoch lachten die anderen. Der Sprecher war klein und dünn, mit dunklen Haaren und einem kleinen Schnurrbart. »Du bist eine elende alte Ratte, Vicente, weil du den Hals nie vollkriegst«, sagte er.
»Ach, Luis, mach doch dein Lästermaul zu«, sagte einer der anderen mit Überdruß in der Stimme.
»Möchtest du es mir vielleicht zumachen, Jose Gripo?«
Diese Frage erschien Jona nun wirklich spaßig, denn Jose Gripo war groß und breit, zwar nicht mehr der Allerjüngste, aber doch viel jünger und stärker als der andere Mann; in Jonas Augen hätte Luis bei einem Kampf auf jeden Fall den kürzeren gezogen.
Aber beide lachten. Jona sah, daß der Mann neben Luis aufstand. Er sah jünger aus als Luis, von durchschnittlicher Größe, aber schlank und muskulös. Er war sehr gut in Form. Sein Gesicht war kantig und straff, und seine Nase hatte einen kräftigen Haken. Er starrte Jose Gripo an und machte einen Schritt auf ihn zu.
»Setz dich oder schieb deinen Arsch hier raus, Angel«, sagte Bernaldez, der Wirt. »Euer Meister hat mir gesagt, daß ich ihm sofort Bescheid geben soll, wenn ich mit dir und Luis noch einmal Schwierigkeiten bekomme.«
Der Mann hielt sofort inne und starrte den Wirt an. Dann zuckte er die Achseln und grinste. Er griff nach seinem Becher, leerte ihn in einem Zug und knallte ihn auf den Tisch. »Dann laß uns gehen, Luis, denn ich habe keine Lust, Freund Bernaldez heute abend noch mehr Geld in den Rachen zu schmeißen.«
Der Wirt sah zu, wie die beiden die Schenke verließen, und trug dann Jona seinen Eintopf auf. Einen Augenblick später brachte er auch dem alten Mann seinen Wein. »Da, Vicente. Der ist umsonst. Das sind üble Halunken, diese beiden.«
»Ein merkwürdiges Paar«, sagte Jose Gripo. »Ich hab das schon öfters erlebt – Luis fordert mit voller Absicht jemanden heraus, und dann springt Angel Costa in die Bresche und schlägt sich für ihn.«
»Angel Costa ist ein guter Kämpfer«, sagte ein Mann am Nebentisch. »Sollte er auch, immerhin ist er Manuel Fierros Waffenmeister.«
»Ja, er ist ein alter Soldat und weiß gut zu kämpfen, aber er ist auch ein richtiger Mistkerl«, sagte Gripo.
»Auch Luis ist ein unangenehmer Zeitgenosse«, sagte Vicente. »Ich weiß das leider nur zu gut, da wir unter einem Dach wohnen. Aber er ist ein hervorragender Metallbearbeiter, das muß ich ihm zugestehen.«
Die letzte Bemerkung weckte Jonas Aufmerksamkeit. »Auch ich habe schon Metall bearbeitet und suche eine Anstellung. Was für eine Art von Metallbearbeitung wird denn hier betrieben?«
»Ein Stückchen weiter unten an der Straße gibt es eine Waffenschmiede«, sagte Gripo. »Hast du Erfahrung mit Waffen?«
»Ich kann mit einem Dolch umgehen.«
Gripo schüttelte den Kopf. »Ich meine die Herstellung von Waffen.«
»Darin habe ich keine Erfahrung. Aber ich habe eine längere Lehrzeit in der Silberbearbeitung hinter mir und auch einige Erfahrungen mit Eisen und Stahl.«
Mit einem Seufzen trank Vicente seinen Wein aus. »Dann mußt du unseren Meister Fierro aufsuchen, den Waffenschmied von Gibraltar.«
An diesem Abend bezahlte Jona Bernáldez ein paar Sueldo, damit er vor der Feuerstelle der Schenke schlafen durfte. Für den Betrag erhielt er am nächsten Morgen auch eine Schüssel Grütze zum Frühstück, so daß er satt und ausgeruht war, als er die Schenke verließ und sich, Bernáldez' Beschreibung folgend, auf den Weg zur Waffenschmiede machte. Es war nur ein kurzer Spaziergang. Der riesige Felsen
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