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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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sie von Juden erbaut wurde, Vicente?« fragte Jona und versuchte, so beiläufig zu klingen wie möglich.
    »Die waren früher sehr zahlreich hier. Bis vor ungefähr zwanzig Jahren, vielleicht auch noch ein bißchen mehr, ein paar gute Katholiken gegen jene aufbegehrt haben, die sich Neue Christen nannten. Aber das waren keine echten Christen gewesen, Juden waren das. Hunderte von ihnen waren aus Córdoba und Sevilla gekommen, weil sie dachten, Gibraltar, das erst kurz davor von den Mauren zurückerobert worden und nur dünn besiedelt war, könnte ein sicherer und gemütlicher Hafen für sie sein, und hatten mit dem Grafen Medina Sidonia, dem Herrn dieses Ortes, verhandelt.
    Sie gaben dem Grafen Geld und erklärten sich bereit, eine berittene Einheit zu bezahlen, die hier stationiert werden sollte. Zahlreiche Siedler ließen sich hier nieder und errichteten Gebäude, in denen sie wohnten und arbeiteten. Aber die Kosten für den Unterhalt der Berittenen und für die Feldzüge gegen die Portugiesen hatten ihr Vermögen sehr schnell aufgezehrt. Als der Graf erfuhr, daß ihre Mittel erschöpft waren, rückte er mit Soldaten an, und bald waren die Juden wieder verschwunden.
    Diese Hütte und das Räucherhaus hatten sie erbaut, um darin Fisch zu räuchern und zu lagern, der mit Schiffen in die Hafenstädte geschickt wurde. Wenn du an einem feuchten Tag tief Luft holst, kannst du den Rauch noch riechen. Unser Meister hat das verlassene Grundstück vom Grafen gepachtet und den Stall und die Arbeitshütten errichtet, die du jetzt siehst.« Der alte Mann verzog das Gesicht und zwinkerte mit dem linken Auge. »Wenn du etwas über die Vergangenheit erfahren willst, mußt du zu mir kommen, Señor. Denn Vicente Deza weiß viele Dinge.«
    Später an diesem Tag brachte Jona Material in die Arbeitshütte, die von einem anderen seiner Wohnungsgenossen, Paco Parmiento dem Schwertmacher, geleitet wurde. Jona hatte den Eindruck, daß mit Parmiento gut auszukommen war. Er war kahlköpfig und neigte zu Fettleibigkeit. Sein glattrasiertes Gesicht zeigte auf der linken Wange eine bleiche Narbe, und sein Blick wirkte manchmal abwesend, denn er dachte beständig über Verbesserungsmöglichkeiten in der Gestaltung und Herstellung von Schwertern nach, und oft merkte er gar nicht, was um ihn herum vorging. Er murmelte Jona zu, daß man von ihnen allen erwarte, ihre Hütte sauber und ordentlich zu halten. »Aber wir haben Glück, denn der alte Vicente Deza kümmert sich darum.«
    »Ist Vicente Deza ein Rüstungsschmied? Oder vielleicht ein Schwertmacher, wie Ihr?«
    »Der? Der hat noch nie Metall bearbeitet. Er wohnt nur dank der Barmherzigkeit unseres Meisters bei uns. Du darfst nicht alles glauben, was der alte Vicente sagt«, warnte der Schwertmacher, »denn sein Geist ist beschränkt, und er hat den Verstand eines langsamen Kindes. Oft sieht er Sachen, die gar nicht da sind.«
    Wie in den meisten der felsigen Orte, die Jona in Spanien gesehen hatte, gab es auch in Gibraltar Höhlen, und die größte davon war ein geräumiges Gewölbe knapp unterhalb der Spitze des Felsens. Fierro kaufte einen Großteil seines Stahls von Mauren in Córdoba, aber er hatte immer auch einen Vorrat eines besonderen Eisenerzes, das in einem Winkel dieser großen Höhle abgebaut wurde. Den Eingang zu dieser Höhle erreichte man über einen schmalen Pfad, der an der Felsflanke hochführte.
    Dreimal nahm der Meister Jona mit zu dieser Höhle, und dann ritten sie auf zwei Eseln den schmalen, steilen Pfad hoch. Jona wünschte sich jedesmal, er hätte Mose als Reittier, denn der Pfad führte immer und immer weiter in die Höhe – viel höher als das Krähennest jedes Segelschiffes -, und jeder Fehltritt hätte einen tiefen und tödlichen Sturz bedeutet. Aber die Esel kannten den Pfad, und sie scheuten nicht einmal, als eine Horde zimtfarbener Affen ihnen den Weg versperrte.
    Fierro lächelte, als er sah, daß Jona über das plötzliche Auftauchen dieser Tiere erschrak. Es waren sechs große, schwanzlose Affen. Eines der Weibchen säugte ein Kleines.
    »Die leben hier oben«, sagte Fierro. Aus einem Sack holte er einige Handvoll altbackenen Brotes und überreifer Früchte und warf sie ein Stückchen abseits des Pfads auf den Hang. Die Tiere räumten sofort den Weg, um sich das Fressen zu holen.
    »Solche Tiere habe ich in Spanien noch nie gesehen.« »Einer Legende nach sind sie durch einen natürlichen Tunnel aus Afrika gekommen, der angeblich unter der Meerenge

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