Der Medicus von Saragossa
»Was nützt eine Kriegswaffe, die ihr Ziel verfehlt?« fragte Jona.
Fierro war nicht beleidigt, denn er begriff, daß die Frage ernst gemeint war. »Sie hat das Ziel nicht getroffen, weil ich damit nicht umgehen kann. Aber ich habe mir sagen lassen, daß ihre Benutzung nicht schwer zu erlernen ist. Die Genauigkeit ist nicht so wichtig. In der Schlacht kann man mit diesen Bombarden anstelle von Steinkugeln Hagelgeschosse verschießen. Das sind Kugeln aus Steinoder Eisenstücken, zusammengehalten von einem Mörtel, der beim Verlassen des Rohrs zerbirst. Stellt euch vor, was ein paar solcher Bombarden in einer Reihe Fußsoldaten oder Reitern anrichten können. Wer nicht flieht, wird niedergemäht wie Gras von einer Sense.«
Paco legte die Hand auf das Rohr und zog sie schnell wieder zurück. »Es ist heiß.«
»Ja. Man hat mir gesagt, daß das Eisen manchmal reißt, wenn die Bombarde zu oft abgefeuert wird. Man glaubt, daß Rohre aus gegossener Bronze vielleicht besser sind.«
»Wahrlich furchteinflößend«, sagte Costa. »Und, werden wir nun diese Bombarden herstellen, Meister?«
Fierro starrte den geknickten Baum an und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht«, sagte er leise.
7. Lauernde Blicke
E inige Wochen nachdem Jona Lavera und seinen Gefolgsmann zu der Höhle geschickt hatte, ritt er eines schönen Sonntagmorgens auf dem grauen Araber zu dem felsigen Stück Ödland und band sein Pferd an einem Busch an.
Falls es je Spuren in der steinigen Erde gegeben hatte, waren die vom schneidenden Wind und dem wenigen Regen, der seitdem gefallen war, ausgelöscht worden.
Die Höhle selbst war leer.
Die Knochen des Heiligen waren verschwunden. Wie auch das grob zusammengezimmerte Kreuz und die irdenen Gefäße. In ihrer Suche nach heiligen Kostbarkeiten hatten die Plünderer den Altar zerstört. Die verstreuten trockenen Äste und die Zeichnung des Fisches auf der Wand waren der einzige Beweis dafür, daß Jona die Höhle in ihrem früheren Zustand nicht nur geträumt hatte.
Auf der Wand unter dem Fisch entdeckte er einen dunkel rostfarbenen Fleck, und als er sich mit seiner Kerze hinkniete, sah er auf dem Steinboden andere rostfarbene Überbleibsel, große Pfützen getrockneten Blutes.
Die Männer, die hier im Hinterhalt gelegen hatten, hatten ganze Arbeit geleistet und jene ausgelöscht, die ihnen hier im südlichen Spanien die Geschäfte abspenstig gemacht hatten.
Eines wußte Jona: Als er Anselmo Lavera und seinem Kumpanen die Karte gab, hatte er die beiden so sicher hingerichtet, als hätte er ihnen eine scharfe Klinge über die Kehle gezogen. Erleichtert, fast beschwingt ritt er nach Gibraltar zurück, aber auf seiner Seele lastete auch das Bewußtsein, ein Mörder zu sein. Seit der Rückkehr aus Tembleque schwang sich Angel Costa mehr denn je zu Gibraltars frommem Soldaten der Kirche auf.
»Warum reitest du am Sonntagvormittag aus?« wollte er von Jona wissen.
»Meister Fierro hat es mir erlaubt.«
»Gott hat es dir nicht erlaubt. Der Sonntagmorgen ist für die Anbetung der Dreifaltigkeit da.«
»Ich bete in dieser Zeit sehr viel«, erwiderte Jona, doch die Frömmigkeit, die er damit zu beweisen suchte, schien Costa nicht zu beeindrucken, denn er schnaubte nur.
»Unter den Waffenschmieden bezeugen nur du und der Meister unserem Gott nicht den gehörigen Respekt. Du mußt die christliche Messe besuchen. Geh besser in dich und bereue, mein gebildeter Señor.«
Paco hatte alles gesehen und gehört. Als Costa gegangen war, sagt er zu Jona: »Angel ist ein Mörder und ein Sünder, auf den ganz gewiß das Höllenfeuer wartet, und doch wacht er über die unsterblichen Seelen der Männer in seiner Umgebung, die allesamt besser sind als er.«
Auch mit Fierro hatte Costa gesprochen.
»Und mein Freund Jose Gripo hat mich gewarnt, daß meine Abwesenheit von der Messe eine Aufmerksamkeit erregt hat, die mir gefährlich werden kann«, sagte der Meister zu Jona. »Deshalb müssen wir beide unsere Gewohnheiten ändern. Du wirst am Sonntagmorgen nicht mehr ausreiten. Diese Zeit ist für das Gebet bestimmt. Es wäre ratsam, wenn du diese Woche die Messe besuchst.«
Und so ging Jona am nächsten Sonntagmorgen in den Ort und betrat zeitig die Kirche, wo er sich in eine der hinteren Reihen stellte. Er spürte Costas Blick auf sich, als der Waffenmeister die Kirche betrat. Am anderen Ende der Kirche unterhielt sich Mei ster Fierro entspannt mit Bekannten aus dem Ort.
Jona setzte sich und betrachtete den Jesus,
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