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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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der am Kreuz über dem Altar hing.
    Padre Vasquez hatte eine hohe, leiernde Stimme, die fast wie Bienensummen klang. Jona fiel es nicht schwer aufzustehen, wenn die anderen aufstanden, sich hinzuknien, wenn die anderen knieten, und den Mund zu bewegen, als würde er beten. Er merkte, daß er das klangvolle Latein der Messe genoß, so wie er es immer genossen hatte, Hebräisch zu hören.
    Nach der Wandlung bildeten sich Schlangen vor dem Beichtstuhl und vor dem Priester, der den Leib Christi in Gestalt der Hostie verteilte. Der Anblick der Hostien verstörte Jona, denn er war aufgewachsen mit Schauergeschichten über Juden, denen vorgeworfen wurde, Hostien zu stehlen und zu besudeln. Er schlüpfte nach draußen und hoffte, daß niemand seinen Weggang bemerkt hatte.
    Als er sich von der Kirche entfernte, sah er ein gutes Stück vor sich auf der schmalen Straße die ebenfalls davoneilende Gestalt von Manuel Fierro.
    Vier Sonntage hintereinander ging Jona in die Kirche.
    An jedem Sonntag war auch Manuel Fierro dort. Einmal kehrten sie gemeinsam zur Schmiede zurück und unterhielten sich dabei freundschaftlich wie zwei Jungen, die von der Schule nach Hause gingen.
    »Erzähl mir von dem Juden, der dir die Silberbearbeitung beigebracht hat«, sagte Fierro.
    So erzählte Jona ihm von Abba, sprach dabei aber als einstiger Lehrling und nicht als Sohn. Dennoch versuchte er erst gar nicht, Stolz und Zuneigung in seiner Erzählung zu unterdrücken. »Heikias Toledano war ein wunderbarer Mensch und ein sehr fähiger Silberschmied. Ich hatte großes Glück, bei ihm in die Lehre gehen zu dürfen.«
    Er wußte, daß er auch Glück hatte, jetzt bei Fierro in der Lehre zu sein, aber er war zu schüchtern, um dies zu sagen.
    »Hatte er Söhne?«
    »Zwei«, antwortete Jona. »Einer starb. Der andere war noch ein kleiner Junge. Als Toledano Spanien verließ, nahm er den Jüngeren mit sich.«
    Fierro nickte und wandte sich dem Thema des Fischfangs zu, denn die Boote, die von Gibraltar ausliefen, kehrten in dieser Jahreszeit mit prall gefüllten Netzen zurück.
    Nach diesem Tag begann Manuel Fierro, Jona eingehender zu beobachten. Zuerst dachte Jona, er würde sich das nur einbilden, denn der Meister war ein gütiger Mensch, der immer ein freundliches und aufmunterndes Wort für jeden seiner Untergebenen übrig hatte. Aber Fierro unterhielt sich häufiger mit ihm als früher, und ausführlicher. Es war, als prüfe er einen Anwärter für eine besondere Aufgabe, als versuche er zu entscheiden, ob Jona der Verantwortung und des Vertrauens würdig sei.
    Würdig wozu, fragte sich Jona.
    Auch Angel Costa beobachtete Jona sehr genau. Oft spürte er Angels Blick auf sich, und wenn Costa nicht in Sicht war, hatte er das Gefühl, von anderen beobachtet zu werden.
    Einmal war er sicher, daß Luis ihm ins Dorf folgte.
    Mehr als einmal kehrte Jona in seine Hütte zurück und mußte feststellen, daß seine wenigen Habseligkeiten durchwühlt worden waren. Nichts war gestohlen. Jona versuchte, seinen Besitz mit den Augen eines feindlich gesinnten Suchers zu betrachten, aber er sah nichts Belastendes in seinen wenigen Kleidungsstücken, der Gitarre, dem stählernen Becher, den er sich gemacht hatte, und dem Gebetbuch des verstorbenen Bernardo Espina, möge seine Seele in Frieden ruhen.
    Manuel Fierro war seit Jahrzehnten ein erfolgreicher und einflußreicher Bürger Gibraltars. Er hatte einen großen Kreis von Freunden und Bekannten, und wenn er hin und wieder einmal abends in die Dorfschenke ging, trank er fast nie allein.
    So fand er auch nichts Ungewöhnliches daran, als Jose Gripo sich eines Abends an seinen Tisch setzte und ein Glas Wein trank, ohne viel zu reden, denn er kannte Gripo seit seiner Ankunft in Gibraltar, und der Besitzer des Kramladens war noch nie sonderlich gesprächig gewesen.
    Doch als Gripo ihm zuflüsterte, Manuel müsse ihn sofort im Hafen treffen, und dann seinen Wein austrank und laut eine gute Nacht wünschte, leerte Fierro einige Minuten später ebenfalls seinen Becher, lehnte einen angebotenen zweiten Becher ab und wünschte allen Anwesenden eine gute Nacht.
    Während er zum Hafen ging, fragte er sich, warum Gripo wohl Angst gehabt hatte, mit ihm gemeinsam die Schenke zu verlassen.
    Der Krämer erwartete ihn hinter einem Lagerschuppen auf halber Höhe des dunklen Kais. Er redete nicht lange um den heißen Brei herum.
    »Man hat dich angeschwärzt, Manuel. Du hättest gut daran getan, wenn du diesen undankbaren Mistkerl schon

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