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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosendorfer Herbert
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allemal, fliegen geht nicht.« Sie habe, rückte sie dann heraus, im Alter von sechzehn Jahren eine Operation erleiden müssen, infolge deren der Nasengeflecht-Druckausgleich bei ihr nicht mehr funktioniere. Aber, strich sie alles beiseite, sie wolle nicht darüber reden. Kurzum …
    Eine Ausrede? Litt sie nur unter Flugangst? »Eine eingebildete Krankheit ist auch eine Krankheit. Vielleicht deswegen sogar schlimmer, weil sie nicht geheilt werden kann.« Das ungefähr war die Quintessenz eines jener großartigen Vorträge des Göttlichen Giselher, als er einmal seine Göttlichkeit auf dem Gebiet der Psychosomatik ausbreitete und hier vermutlich einmal recht hatte.
    Also fuhren die drei die ganze lange Strecke mit dem Auto, und damit die Spesen – durch die ersparten Flüge – ja nicht zu niedrig ausfielen, machten sie es mit einer luxuriösen Unterbrechung in einem zum Glück teppichbodenfreien Fünfsternehotel und kamen so also nach zwei Tagen in Oppenhusten an.
    Es gab ein Schloß in der Nähe von Oppenhusten. Dort residierte ein Fürst. Der hieß nicht Fürst von Oppenhusten, aber so ähnlich. Ihm gehörte alles Land weitum, aber das schien, möglicherweise infolge der unseligen Aufhebung der Leibeigenschaft und überhaupt ungünstiger Zeitläufte, nicht mehr zur Bestreitung standesgemäßen Lebens auszureichen. Wie Carlone aus einer in der – jawohl, das gab es – Pressestelle der Veranstaltung aufliegenden Broschüre erfuhr, bemühte sich der Fürst um Erschließung neuer Einnahmequellen, nicht zuletzt, wurde betont, zugunsten der Bevölkerung in diesem vom Wohlstand nicht verwöhnten Landstrich. Insbesondere bemühe man sich, Fremdenverkehr hierherzuziehen. Eine internationale Schau von Stallhasenzüchtern habe schon stattgefunden. Man hoffe auf breitere Aufmerksamkeit im nächsten Jahr. Ein Windhundrennen. Ein Akkordeonfestival. Und eben jetzt eine Corrida.
    Hier Carlones Schilderung:
    Ein früher wohl als Pferderennplatz gebrauchtes Oval war auf der einen Längsseite mit einer Tribüne versehen, etwa acht Sitzreihen übereinander, vorn in der Mitte eine Art Ehrenloge für den Fürsten und seine Familie – der die Veranstaltung allerdings schon sehr bald verließ. Mit Recht, wie sich zeigte. An einer der Schmalseiten des Ovals waren Bretterverschläge mit Türen aufgeführt, um die herum einige Gestalten werkelten. Darüber eine großdimensionierte Lautsprecheranlage.
    Ein Signal. Im nicht sehr zahlreich erschienenen Publikum gab es ein Raunen der Erwartung zu hören. Wir, der Meister , seine Emma und ich, saßen in der obersten Reihe und raunten nicht. Die Plätze hatte uns die Dame in der Pressestelle angewiesen. Wir waren die einzigen, die von dieser Einrichtung Gebrauch machten, soweit ich gesehen habe.
    Dann ertönte aus der Lautsprecheranlage – was wohl? Richtig: der Toreromarsch aus Carmen .
    Eines der Barackentore an der Schmalseite flog auf, und ein Torero mit besticktem Jäckchen, knallengen Hosen, weißen Strümpfen, der bestickten Mütze mit Ohren und so fort kam heraus, begleitet von ein paar nicht so kostbar gekleideten Stierkampfhelfern. Der Torero blickte sieghaft, hob beide Hände und spreizte Zeige- und Mittelfinger zum Victoria-Gruß, spazierte mit Gefolge einmal um das Oval herum und blieb dann vor der Fürstenloge stehen, um seine Reverenz zu erweisen. Der Toreromarsch war, dies zu ergänzen, mit der Schallkulisse frenetischen Beifalls von, schätze ich, zehntausend Menschen unterlegt. Die real existierenden Zuschauer auf der Tribüne klatschten nur verhalten.
    Schon zischte der Meister Verwünschungen. So was sei kein Stierkampf. Auch wenn er etwas an sich verabscheute – noch verabscheuenswürdiger war ihm eine solche offensichtliche Imperfektion. Da fehlte es dem Meister an jeglichem Humor.
    Ein Ansager quasselte aus dem Lautsprecher, begrüßte unter anderem uns mit malerischem spanischen (?) Akzent: »Meine Damen chund Cherren von der Presse.« Ein Photograph in sommerlich kurzen großkarierten Hosen war auch da, der mit gutem Willen neben uns noch zur Presse gezählt werden konnte. Der Photograph, ein länglicher Lümmel, der wohl jünger aussah, als er war, spielte dann bei unserem Abenteuer noch eine nicht unbedeutende Nebenrolle.
    Der Ansager kündigte nun den ersten Kampf an. Er radebrechte, daß bedauerlicherweise aufgrund der deutschen Tierschutzbestimmungen der Stierkampf hier »leicht modifiziert« werden müsse.
    »Leicht modifiziert« war gut gesagt. Es waren

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