Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosendorfer Herbert
Vom Netzwerk:
Verblendung, ja, anders ist es nicht zu sagen. Dabei war er da längst über das Jünglingsalter hinausgewachsen, war knapp über vierzig Jahre alt. Er ertrug alle ihre Launen und Marotten und eingebildeten Leiden. Es gab etwas zwischen uns, das wir »aufrichtige Ausbrüche« nannten. Bei Gelegenheit eines solchen fragte ich ihn, wieweit ein Mensch so etwas erträgt? Ohne erotische Einzelheiten zu nennen, erglühte der Meister in ein Lob der Zärtlichkeit, der Anschmiegsamkeit, der Phantasie in Liebesdingen, der Hingabe, ja der vollkommenen Verschmelzung, die Emma in den, wie man so sagt, gewissen Stunden bot.
    Es gab und gibt Männer, so scheint es, die diesen Preis bezahlen. Es hatte schon mehrere gegeben in Emmas Biographie. Sie hielt nicht hinterm Berg damit. Aber bei jedem, so scheint es, ist das Faß der Unterwürfigkeit irgendwann zum Überlaufen gekommen. Der eine oder andere hatte ihr dann den wohlverdienten Tritt gegeben. Im übertragenen Sinn, klar. Oder womöglich …? Darf man sagen: Auch das hätte ihr nicht geschadet?
    Mich ging es ja nichts an, dennoch war ich ein paar Mal nahe daran, dieses ungezogene Kind mit einigen deutlich-harten Sätzen zurechtzurütteln. Hätte ich es doch getan …
    Also drei Zimmer. Die Raimer »besuchte« den Meister , nachdem wir nach dem Abendessen auf unsere Zimmer gegangen waren. Der »Besuch« dauerte nicht lange. Ein »Besuch« des Meisters in Emmas Zimmer war ausgeschlossen. Die Spezialbettwäsche durfte nicht durch Fremdausdünstung befleckt werden. Übrigens auch in ihrer Wohnung nicht, und auch nicht, als der Meister und Emma verheiratet waren. Wie das denn damals in Florenz war, fragte ich den Meister , »da durftest du in ihr Zimmer. In ihre Bettwäsche?« – Der Meister (düster): »Am Boden.«
    Ich weiß nicht, warum der Meister dann, es war Mitternacht vorüber, noch einmal an Emmas Tür klopfte. Sie rührte sich nicht. Er läutete über das Haustelephon. Sie hob nicht ab. Der Meister war verzweifelt, bebte vor Eifersucht, wagte aber nicht, Lärm zu machen. Litt nur.
    Sie habe nichts gehört, sagte sie am nächsten Tag beim Frühstück. Sie habe halt tief geschlafen.
    »Der Photograph ist nicht gekommen?« fragte ich, »er wollte doch die Bilder bringen?«
    »Nein.«
    Auch bei der Rückfahrt eine Zwischenübernachtung, A zahlt ja alles. Und dort in dem Hotel rutschten die Bilder, die der Photograph in der Schlotterhose gemacht hatte, aus Emmas Handtasche. Sie sah nicht, daß wir es sahen.
    Sagte der Meister etwas? Er sagte nichts. Ich sagte beinah etwas, sagte aber dann leider auch nichts.
    *
    »Die Ehe der schönen Helene hat nicht lang gedauert?«
    »Fünf Jahre, vielleicht acht«, sagte Carlone in der Madonna.
    »Und dann ist sie in die kleine Wohnung am Rondell gezogen, fünfhundert Meter vom Butzenscheiben-pfarrhaus entfernt?«
    »Nicht direkt.«
    »Ich war ein paarmal dort«, sagte ich, »ich gehörte ja bald zu dem Kreis, der nicht nur zu den Nachmeßfeiern mit Champagner eingeladen wurde, sondern auch zu den Abendessen zu dritt in Helene Rombergs Wohnung. Aber ich habe nie gefragt.«
    »Einige Dinge waren ja klar.«
    »Aber wie ging die Ehe auseinander? Hat er – oder hat sie?«
    Carlone erzählte.
    Sigurd Winters Ehrgeiz ging über die engere Welt seines Ministeriums hinaus. So die eine Darstellung. Andere kolportierten, Winter habe irgendeinen dienstlichen Bock geschossen oder sich durch unvorsichtiges Aufdecken irgendeiner Politikerschweinerei mißliebig gemacht und wurde nach Brüssel abgeschoben, »hinaufbefördert«. Er verdiente sich mit den Auslandszuschlägen und dergleichen die goldene Nase, an der die EU -ler erkennbar sind. Helene ging nicht mit nach Brüssel. Daß dem Sohn der Schulwechsel nicht zugemutet werden solle, daß sie selber überlegte (nur überlegte!), wieder in den Schuldienst zu gehen, daß sie wieder zu ihrem alten Professor ging und sich mit dem Gedanken trug zu promovieren, wirkte alles nicht als Grund, sondern als Ausrede. So lebte Winter ein teiljunggeselliges Leben in Brüssel, blieb dort, bis ihn nach dem Genuß von mehreren Trappisten/Sechs ein Genickbruch ereilte, weil das Klo in dem Nobelhotel im Souterrain lag und der Handlauf neben der Stiege offenbar schwer zu finden war.
    »Trappisten/Sechs?«
    »Das berühmte belgische Bier. Das berühmteste ist das Trappisten-Bier. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich noch von Trappisten gebraut wird, wohl früher einmal, heißt aber jetzt immer noch so. Sechs Stufen. Stufe

Weitere Kostenlose Bücher