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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosendorfer Herbert
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ist es die Sache doch wert« –, sondern der ganze Gamarelli, alles hier: ein Mittelding aus Laden und Sakristei. Die Quittierung des Schecks erfolgte mit einer Geste, die bereits etwas leicht Segnendes hatte.
    Lothary bedauerte später doch, den Degen nicht angeschafft zu haben. Die Uniform trug er nur noch einmal. Es war nämlich der Brauch bei der Wilden Bühne, daß die Lesung im Februar stets im Kostüm erfolgte, faschingsgerecht mit einem passenden Stück: Lothary als Gerichtsrat Walter im Gregoriusfrack in Kleists Der zerbrochene Krug .
    Ein einziges Mal war auch ich mit von der lesenden Partie. Ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft war ausgefallen. Ich sprang auf Carlones Empfehlung ein, übernahm eine Rolle in einem Stück, von dem ich mich nur noch an den Titel: Trau, schau, wem , nicht aber an den Namen des Verfassers erinnere. Bei der Gelegenheit lernte ich Emma Raimer kennen. Was heißt aber: lernte kennen. Ich sah sie zum ersten der wenigen Male.
    *
    Alles, was italienisch war, war gut. Emma Raimer fühlte sich als Italienerin, obwohl sie zur Hälfte Norwegerin (oder Finnin?) war, von der Mutter her, sprach fließend Italienisch angeblich. Sie meldete sich am Telephon mit: »Pronto!« Der Meister konnte zwar nicht eigentlich Italienisch, aber als perfektionistischer Beherrscher der Nachbarzunge in allen Spielarten bis hin zum Alt-Provençalischen verstand er genug, um sich darüber zu erregen, daß sie als Frau »pronto« sagte. »Pront a «, müsse sie sagen, grammatikalisch korrekt. Sie blieb aber bei »pronto« wie im übrigen seltsamerweise tatsächlich auch die echten Italienerinnen.
    Ob sie wirklich fließend Italienisch sprach? Im schlichten Leben schwäbelte sie, wenn – zum Beispiel – Rotes auf eckigen Tellern serviert wurde – bis zur aufgeregten Unverständlichkeit.
    »Ich war ja dabei, als Drittanhängsel an dem Paar, was sie damals dann schon waren, als sie nach Florenz zum Maggio Musicale fuhren. Ich wunderte mich, daß sie immer uns mit den Kellnern und so weiter hat reden lassen, mit wem man eben als Tourist in sprachliche Berührung kommt, und den Meister die Italiener über die korrekte Anwendung des Konjunktivs und des passato rimoto belehren ließ.« War es doch nicht so weit her mit ihrem Italienisch?
    Sie bestellte nachmittags einen Cappuccino. »Damit outest du dich als Deutsche«, sagte damals Carlone, »es ist ein ungelöstes Rätsel, warum die Italiener Cappuccino nur vormittags trinken.«
    Emma wurde rot. »Das weiß ich selbstverständlich«, pfiff sie spitz. Wußte sie es wirklich? Und es fiel Carlone überdeutlich auf, wie stark der Meister in den Sog Emmas geraten war. Er gab jeder ihrer Launen nach. Carlone, dem damals gerade das besonders große Glück widerfahren war, eine Steuerrückzahlung zu bekommen, lud die beiden ins Natalino ein. Emma quietschte auf, als der Fisch kam: »Ich kann nichts essen, was auf einem viereckigen Teller serviert wird.« Geduldig erklärte der Meister dem Kellner das Problem. Der nahm kopfschüttelnd den viereckigen Teller samt Fisch wieder mit, brachte ihn auf einem runden.
    Und der Teppichboden im Hotel. Emma quietschte: »In Italien gibt es doch keine Teppichböden. Da gibt es doch nur Marmorböden!«
    »Na ja, schon«, versuchte der Meister sie zu beruhigen, »meistens, aber hier …«
    »Ich bin allergisch gegen Teppichböden.«
    Ein anderes Hotel wurde gesucht. Der Meister ließ sich zur Vorsicht das Zimmer zeigen: zwar kein Marmorfußboden, aber Parkett.
    »Geht Parkett?« seufzte der Meister .
    »Du brauchst dich nicht aufzuregen. Ich bin eben allergisch. Ich kann auch nichts dafür.«
    Carlone hatte das Quartier bestellt. »Ich habe mir selbstverständlich gedacht, daß der Meister bei ihr und, nun ja, auch vielleicht mit ihr schläft. Also ein Doppel- und ein Einzelzimmer. Abgesehen von dem Drama mit dem Teppichboden und nachdem endlich das teppichbodenfreie Hotel gefunden wurde, das Geschrei: Nein, nein, sie könne nur ausschließlich und unbedingt bei absoluter Dunkelheit schlafen und wenn alle Fenster geschlossen sind. Im Mai kann es ganz schön heiß sein in Florenz, wie dumpf da die Luft in einem engen Hotelzimmer wird – also ich sage dir«, sagte Carlone in der Madonna, »ich hätte die Zicke am liebsten an die Wand geklatscht.«
    »Es lief darauf hinaus«, fuhr Carlone fort, »daß sie das Einzelzimmer bezog – der Meister durfte sie nach dem Abendessen besuchen – und der Meister und ich das Doppel. Stark

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