Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
einem Lehmbröckchen. »Erst machen wir eine Kanone aus Lehm. Dann machen wir davon einen Mantelabdruck ebenfalls aus Lehm – und müssen die erste Form wieder herauskratzen und zerstören, damit wir überhaupt gießen können. Diese Form wird dann mit viel Mühe und Zeit durchgetrocknet, gebrannt, mit Bronze ausgegossen – und anschließend ebenfalls in Scherben geschlagen, um die Bronze ans Licht zu bringen.
Eigentlich ist Former ein Scheißberuf! Was immer wir mit viel Mühe, Arbeit und Liebe machen – wir müssen es nach kurzer Zeit wieder zerstören! Wißt Ihr, Herr Dreyling, wovon ich manchmal träume? Von einer Form, die man wieder verwenden kann – zweimal, dreimal, zehnmal. Müßte eigentlich gehen, wenn man die Form nach dem Guß nicht zerschlagen, sondern bloß aufzuklappen brauchte.«
»Und wie machst du das mit den Hinterschneidungen bei den Delphinen? Wie willst du die aus deiner Klappform herausbringen?«
Wenzel grinst mich an:
»Wenn ich es wüßte, Herr Dreyling, wäre ich bestimmt nicht mehr in Büchsenhausen!«
Bartlme streckt seinen Kopf durch die Türe, die den Formereiraum mit dem Gußhaus verbindet und von wo das Klirren der Kettenzüge zu uns herüberdringt, da die schweren Formen der Kartaunen gerade in den Brennofen gewuchtet werden:
»Meister im Anmarsch!« zischt er uns zu.
Durch die offenen Tore sehe ich Hans Christoph, ein Brett wie eine Hellebarde geschultert, aus dem Haus über die Gasse und den Hof zum Sumpf marschieren.
Auch ich wechsle wieder in den ersten Raum hinüber, komme fast gleichzeitig mit meinem Onkel an. Als ob es zerbrechlicher als Glas wäre, so vorsichtig lehnt mein Onkel das Brett an die Wand, zieht einen Zollstock hervor und mißt zunächst die Stärke des aufgetragenen Lehms. Ein kurzes Grunzen signalisiert seine Zufriedenheit.
»Ganz langsam und gleichmäßig drehen!« weist er die beiden Lehrlinge an, welche die Spindel in Bewegung halten.
Dann winkt er mir. Vorn und hinten fassen wir das Brett an, fixieren es auf den Böcken und fuhren es längs an das rotierende Stück.
An der Kante ist das Brett mit einem geformten Blech beschlagen, und während wir es nun langsam heranführen, wird der Lehm abgedreht. Schon nach wenigen Umdrehungen erhält der Rohrrohling Konturen.
Und dann liegt es vor uns, das Rohr eines DRACHEN-Serpentinls. Noch ohne Verzierungen, Schildzapfen und Delphine, die ihm mittels der Formkästen aufgesetzt werden. Zuletzt wird ein rund sechs Kaliber langes Rohrstück vor dem Mündungskranz aufgesetzt, das sogenannte Angußstück, in dem sich nach dem Guß die leichten, verschmutzten Teile der Bronze sammeln werden und das schließlich abgesägt werden wird.
Wieder mißt Meister Löffler, prüft, mißt nochmals.
Die Lehrlinge stehen vor Angst wie gelähmt an der Mauer. Ein zufriedenes Schnalzen mit der Zunge löst ihren Bann.
Ein Schreien nebenan läßt uns zusammenfahren. Oswald, der zweite Heizer, stürzt atemlos herein:
»Meister! Meister, Pantaleon ist umgefallen!«
»Na und? Soll aufstehen, der Faulpelz!«
»Wir haben gerade eine der Kartaunenformen heruntergelassen. Der Pantaleon war am Kettenzug. Da ist er umgefallen! Einfach umgefallen!«
»Was ist mit der Form?«
»Er ist umgefallen und spuckt Blut, Meister!«
Hans Christoph packt Waldi am Hemd, schüttelt ihn: »Was ist mit der Form, du Scheißer? Ist sie beschädigt??«
»Nein, Herr. Nein!«
Der Herr stößt den Heizer grob zurück. »Dein Glück! Und was soll dann das Geschrei?«
»Pantaleon …«
Mit einem Sprung stehe ich auf dem Hof. Pantaleon wird aus dem Gußhaus getragen. Sein Gesicht ist aschgrau, das Hemd mit Blut besudelt.
»Konrad, Peter«, brüllt Hans Christoph über den Hof. »bringt ihn ins Wohnhaus der Gießer und stellt ihn wieder auf die Beine - die anderen, marsch zurück an die Arbeit!«
»Pantaleon ist hinüber!« stürmt er aus dem Gießerwohnhaus. Köpfe senken sich, Kreuze werden geschlagen.
»Ich halt’s nicht aus! Nie und nimmer! Ausgerechnet jetzt muß dieser Schwächling verrecken! Kruzitürken nocheinmal!«
Die Sorge legt Hans Christophs Stirn in Falten. Der Meister ist in Bedrängnis.
In schönster Regelmäßigkeit hat der beste Gießer in diesen Mauern ausgehalten am Schwarzen Riesen und am Rande der Dammgruben, bis ihn die Hitze und die Dämpfe vom Leben endgültig abgetrennt haben. Die Knochenauswüchse rund um seinen Kopf reichten letztes Jahr schon herunter bis zu seinem rechten Ohr. Auf der gegenüberliegenden Seite
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