Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Ertrag – da wird etwas geschehen! Der Herr Marx Fugger läßt sich jeden Tag genau berichten, was die Treiböfen an Silber ausschmelzen. Die Zentner der guten Zeiten fehlen ihm – der kann rechnen. Deshalb kannst du sicher sein: Die Pläne liegen fest. Er wird bald handeln.«
Das Dreifache Scheidwerk! Das Einlösen des Gesteins nach dreifacher Güte, mit danach unterschiedlichem, wechselndem Lohn. Das würde die Bergleute in den Ruin treiben!
»Das werden die Knappen nie hinnehmen. Sie werden mit allen, auch gewaltsamen Mitteln, versuchen, das Dreifache Scheidwerk zu verhindern! Das schnürt ihre Lebensader ein, nimmt den Familien das Brot. Es gibt jetzt schon Ärger wegen der Pfennwerte …«
»Willst du noch mehr wissen?« fragt mein Bruder in einem Ton, der mich bleich werden läßt.
»Ich glaube, es reicht!«
»Nur noch eins …« Er bricht mitten im Satz ab. Beginnt noch mal: »Denk an die Hungersnot vor drei Jahren Anno ’71, als die Bayern die Getreidesperre gegen Tirol verhängt hatten. Da sind viele Knappen vom Berg gezogen, aber es war Ruhe am Berg, da die Not von außen kam. Jetzt aber machen wir die Not selber. Noch schlimmer: Sie wird uns aufgezwungen.
Bruder, überlege es dir. Ich habe Angst. Angst um dich und deine Frau. Ich will nicht, daß dir etwas zustößt! Du kannst doch frei wählen. Kommt mit mir. Gehen wir zusammen. Du wirst sehen, wir kommen besser zurecht in Böhmen, in Sachsen oder in Polen. Ich will nur eines für dich: du sollst in Schwaz, mit Schwaz, mit der Mutter aller Bergwerke, nicht untergehen!«
Er nimmt meine Hände in seine schweren Pranken:
»Meine Vorstellungen vom Leben hier sind düster, aber ich bin noch nicht so weit gelähmt, daß ich es nicht ändern könnte. Das Schlimme gehört für mich nicht notwendig zum Leben, wie das Dunkel zum Licht. Darauf gründet sich meine Hoffnung.«
Eine kurze, harte Umarmung.
»Gott beschütze dich auf allen deinen Wegen, Bruder!«
Ulrich wendet sich ab. Stapft mit schwerem Schritt zur Schmelzhütte zurück.
Nach dem Abschied von Ulrich gehe ich die wenigen Schritte bis zum Eingang des Sigmund-Erbstollens so langsam, wie ich nur kann, um meine Gedanken zu sortieren. Was ist Erz? Was ist Sand?
Ich schaffe das Sortieren nicht, da einige Truhenläufer mit ihren vollen, erzgesteinbeladenen Spurhunten aus dem Stollengang angerollt kommen und mir zurufen:
»Durch Christentum viel Glück und Heil, Herr Schiener!«
»Glück und Heil dem löblichen Bergbau!« antworte ich den Burschen, die offensichtlich auf den letzten 500 Lachtern das Gefälle des Stollens wieder einmal wild genutzt hatten, um die bisher schnellsten gefahrenen Zeiten der zweiten Schicht zu unterbieten. Beim Bier am Sonntag schließen die Huntstößer, wie sie sich selbst bezeichnen, aller drei Schichten Wetten ab, wer wohl zur Zeit am geschicktesten und am schnellsten fahre.
Wenn das der Schichtmeister mitbekommen hätte – der Abzug von einem Kreuzer wäre ihnen sicher gewesen. Nicht wegen dem Spaß, sondern wegen des Materials. Das Leben eines Truhenläufers hatte es zudem im Herbst letzten Jahres gekostet, als der Spurnagel seiner Hunte bei der wilden Fahrt brach.
Die Hunten sind auf den Stollendurchmesser, der beim Sigmund-Stollen kaum viel mehr als eine Elle beträgt, maßgezimmert. Mit kaum einer Handbreite Abstand beiderseits vom Fels jagen sie dem Mundloch zu. Die voll beladenen Truhen bekommen ganz schön Fahrt auf den beiden Holzbohlen, die auf den Querhölzern an der Stollensohle befestigt sind. Zwischen den Holzbohlen, auf denen die Räder der Truhe laufen, wird ein Abstand von einem Bergmannsdaumen eingehalten, um dem Leitnagel unten an der Truhe den notwendigen Platz zu sichern. Ein findiger Schmied stülpte dem Nagel eines Tages einen rohrartigen Laufring über und bog den Nagel um. Damit war gesichert, daß die Geschwindigkeit in den Kurven beibehalten werden kann.
Seitdem gibt es Rennen im Stollen – und Tote!
Die Burschen fahren viel zu dicht hintereinander. Wenn der erste Wagen entgleist, kann der Läufer hinten drauf kaum noch Gott und die Heiligen anrufen – dann wird er durch die nachfolgende Hunte zermalmt! Den Jakobus, 16 Jahre war er alt, haben sie regelrecht von der Stollenwand abgekratzt.
Am Eingang des Stollens angekommen betrete ich die Krame. Sie ist die größte am Falkenstein und birgt neben vielen anderen wichtigen Dingen auch unsere Werkzeuge, das Gezähe. An den Wänden sind übersichtlich sortiert Bergeisen,
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