Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
Vom Netzwerk:
Schneeschmelze auf den Bergen erst Ende Mai zu erwarten.«
    Der Bergmeister nickt. »Das Bergwasser des Falkensteins hängt ab von den Verhältnissen in den Hochkaren des Kellerjochs. Im September vor vier Jahren bin ich drüben auf das Vomper Joch gestiegen, habe mit Abstand auf das Kellerjoch geschaut. Da habe ich es begriffen …«
    Er bleibt kurz stehen, als wolle er sich umdrehen.
    »Dreyling, wir schlagen den Baum um, von dessen Früchten wir leben. Wir sind dabei, den Schwazer Bergbau zu zerstören. Wir! Wir selber!«
    Ich erschrecke über die Endgültigkeit, die in diesem Satz und in seiner Stimme liegt.
    Hatte nicht Ulrich das gleiche gesagt? Und nun Reisländer!
    »Wir?« frage ich.
    »Wenn ich das so sage, Adam« – zum erstenmal nennt er mich beim Vornamen -, »meine ich nicht dich und mich persönlich. Mit ›wir‹ meine ich drei Generationen Berggemeinde, gelenkt durch wenige ehrgeizige Handelsfirmen.«
    »Mein Bruder, mein Bruder Ulrich, Bergmeister, sagte vorhin am Alten Pocher fast das gleiche …«
    Wieder nickt Reisländer:
    »Wir sind nicht viele, die die Zusammenhänge zwischen hier unten und tausend Klafter über uns zu sehen vermögen. Steige aufs Vomper Joch, und die Wahrheit liegt vor deinen Füßen, weshalb das Wasser von Jahr zu Jahr höher steigt.«
    »Was meint Ihr damit?«
    Für einen Augenblick scheint Reisländer zu zögern, doch dann fährt er mit ruhiger Stimme fort:
    »Schuld an dem gesteigerten Wassereinbruch ist der Kahlschlag auf den Hängen des Kellerjochs. Die Wälder waren riesige Speicher, die Trockenzeiten im Tal überbrückten, Überschwemmungen des Lahnbaches verhinderten und auch hier, weit ab von der Oberfläche, dafür sorgten, daß sich nicht reißende Wildbäche bildeten.
    Sieh dir die Berghänge an drüben beim Schneekopf, wo sie die Stämme nicht herüber bringen können – alles in Ordnung! Da aber, wo die Wälder fehlen, wie hier am Falkenstein und am gesamten Kellerjoch, sind wir den Wassermassen schutzlos ausgeliefert!«
    Erasmus Reisländer hat ruhig gesprochen; die Gewißheit, die in seinen Worten liegt, klingt so sicher wie der Rhythmus seiner weit ausgreifenden Schritte.
    »Ob im Nikolaus-Stollen der Alten Zeche, ob im Zapfenschuh, oder im großen System des Martinhütt-Stollens und erst recht in den Tiefen Bauen, überall verschwinden die untersten Stollen viel schneller als angenommen im Wasser.
    Und die Ursache? Nicht einmal ein Fußdick fehlender Humus mit Bäumen darauf!«
    Ich sehe im schwachen Licht der Flamme, daß er die linke Hand zur Faust geballt hatte.
    Jeder Bergmann zu Schwaz weiß, daß Reisländer seit Jahren einen verbissenen Kampf mit den fürstlichen Beamten ausficht. Nun beginne ich auch den Grund dafür zu begreifen. Und so massiv, wie er vor mir den Stollengang mit seinem Körper ausfällt, so massiv würde er sich auch weiter gegen Dummheit und Gier stellen.
    Ist es denkbar, daß er mich zum Verbündeten gewinnen will? Ich wüßte niemanden, an dessen Seite ich lieber stehen würde.
    »Ich habe drüben am Hang des Vomper Joches etwas ausgerechnet. Als die Bäume am Kellerjoch um ein Fünftel ausgedünnt wurden, schwemmten bereits Regen- und Schmelzwasser dreimal mehr Erde davon als normal.«
    Wir sind an der einzigen Ausbuchtung des Sigmund-Stollens angekommen, an der man einer Hunte ausweichen kann, indem man sich in die ausgehauene Nische stellt.
    Reisländer dreht sich um, und ich sehe sein ernstes Gesicht:
    »Schwaz lebt, weil der Wald und der Berg stirbt! Niemand will die Anzeichen sehen. Allein der Lahnbach zahlte es in den letzten Jahren der Bevölkerung von Schwaz mit schlimmsten Verheerungen heim. Am schwersten betroffen war die Knappensiedlung. Und was haben sie getan? Eine Messe mit Fürbitten an die Jungfrau Maria!«
    Er leuchtet mit seiner Lampe die Stollendecke ab und besieht die herabperlenden Wassertropfen.
    »Auch hier schon. Das ist neu …«, bemerke ich.
    Der Bergmeister schreitet wieder voran:
    »Das Wasser steigt unaufhörlich. Noch ein paar Wochen Regen, zwei, drei heftige Gewitter kurz hintereinander, ein besonders sonniger Frühling – dann, Adam, kannst du sicher sein, wird der Berg hier und oben zu einem einzigen Wasserfall.«
    »Können wir dem nicht zuvorkommen?« frage ich ihn.
    »Können!?«
    Dabei wendet er im engen Stollen seinen Kopf. Ich erschrecke. Reisländers Gesicht wird von unten her mit der Lampe zu einer Fratze ausgeleuchtet.
    »Wir müssen! Noch liegen nur für wenige Reviere genaue

Weitere Kostenlose Bücher