Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Getränk, während Cumberland nur mißtrauisch nippt und Kreszenz bereits eifrig den nächsten Humpen schäumenden Gerstensaftes vor mich hinschiebt.
»Also dann zum G’schäft«, kommt Jakob Halder zur Sache. »Zwei Brigantinen, hat der Herr Cumberland g’sagt, und einen Harnisch. Stimmt doch? Na, dann zieh dich mal aus, Herr Tiroler Nachbar.«
Ich glotze den Plattnermeister an:
»Die Brigantinen verstehe ich ja, aber einen Harnisch?«
»Wirst ihn schon brauchen. Wenn sich sogar die Queen unlängst einen hat anmessen lassen, nacha wird’s ja demnächst losgehn gegen die Spanier, gel! ’ne Brigantine is’ ja ganz gut gegen solche Strauchritter wie Donnerstag abend, aber in ’ner richtigen Schlacht, da is’ ma in so am Blechröckerl scho’ noch a bisserl besser aufgehoben. Also, runter mit dem Wams und den Hosen, damit i’ Maß nehmen kann.«
Etwas zögerlich schäle ich mich aus meinen Kleidern.
»Schneller, schneller«, drängelt Jacob Halder. »I hab schon mehrer nackerte Mannerleut g’sehn beim Abmessen. Auch Weiberleut. Sogar unsere hochverehrte Queen.«
Endlich stehe ich bis auf die kurzen Leibhosen splitternackt da, während Waggi meine Waden mißtrauisch beschnüffelt und der Plattnermeister mich prüfend umkreist, ehe er mit dem Messen beginnt. Und was für ein Messen! Rechte Hand jeden Finger einzeln, jedes Fingerglied – Länge, Dicke -, Handfläche, Handgelenk …
»Abwärts biegen! – Seitwärts! – Faust machen! - Wieder grad! - Noch mal Faust … Hast mal schwer mit die Hand’ g’arbeitet«, stellt er dabei fest, »aber nimmer in den letzten Jahren. - Arm anwinkeln - Arm wieder grad – noch mal anwinkeln …«
Während Meister Halder Maß um Maß in vorgefertigte Skizzenblätter und Tabellen einträgt, plaudert er munter weiter:
»Is’ schon eine ganz hochpersönliche Sache, so ein Harnisch. Muß mit all seinen Geschüben und Scharnieren auf das Zehntel Zoll auf den Körper des Trägers angepaßt sein, sonst steckst du drin in der Blechbüchs’ und kannst dich nicht rühren, ’s is’ auch zwengs dem Gewicht. So um die 40 Pfund is’ so ein Bleckröckerl schon schwer, aber wenn’s richtig angemessen is’ und sitzt, dann verteilt sich das Gewicht auf den ganzen Körper, merkst es so gut wie nicht. Is’ richtig ein Stück von dir selber, so ein Harnisch. Kannst ihn sogar zum Hochzeiten schicken …«
Während Jakob Halder in schallendes Gelächter ausbricht, schauen sich Cumberland und ich verständnislos an.
»Kennt’s ebba des G’schichtl nicht von der Hochzeit von der blutigen Marie Tudor?« fragt der Plattner. »Also, des war so: Ihr Bräutigam, der hochedle spanische Philipp – damals war er noch Kronprinz – hat halt gar keine Lust g’habt, zu der ältlichen Jungfer ins Bett zu steigen. Aber weil’s halt ausgemacht war zwischen den Königshäusern, und weil zur Feier ein Hochzeiter hat her müssen, hat der Philipp einen seiner Harnische nach London geschickt, während daß er selber in Holland geblieben ist. War ein Harnisch aus seiner Burgunderkreuz-Garnitur, den mein Lehrmeister, der Wolfgang Großschedel zu Landshut, geschlagen hat. Und in Westminster hat dann die blutige Marie mit dem Blechmanderl vor dem Erzbischof von Canterbury die Ringe getauscht und ihm das Ja-Wort fürs Leben gegeben. Beim Hochzeitsmahl hat sie ihm den Brauttrunk hinters Visier gießen dürfen und wie’s dann zum hochoffiziellen Beilager ’gangen is’, da hat ma’ ihr halt dann die Rüstung ins Brautbett g’legt. Na, vielleicht war’s deszweng ihr Leben lang so unsterblich in ihren Philipp verliebt, weil ihr Hochzeiter halt auch da, wo’s drauf ankommt, aus bestem Landshuter Stahl war …«
Jakob Halder ist unterdessen bis zu meiner Leibesmitte vorgedrungen, tätschelt mir auf den nackten Bauch:
»Zu- oder abnehmen darfst in Zukunft höchstens noch ein Pfund, Herr Tiroler Nachbar. Will sagen: darfst schon, dann bekomm’ ich neue Arbeit«, fügt er verschmitzt hinzu. »Der Papa von der Queen, der König Heinrich, des war ein Kunde!« erinnert sich der Plattnermeister mit verträumtem Blick. »Fast alle Halbjahr hat der einen neuen Harnisch gebraucht, so is’ der in die Breite gangen! Und kaum war einer fertig, hat er schon wieder nicht mehr rein’paßt. Vor allem der Arsch, der Arsch! Zum Ausgleich hat dann die Schamkapsel auch immer größer und länger und dicker werden müssen, obwohl da in Wirklichkeit, trotz seiner fünf Frauen, nicht viel los war. Mußt mal in den
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