Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
geröstetes Weißbrot mit Butter und Honig bestreiche, lausche ich aufmerksam.
»Wie ich heute nacht schon vermutete«, legt William dar, »war dieser gefährliche Angriff auf dich das Resultat einer Reihe von unglücklichen Umständen und Zufällen: Es begann schon einmal damit, daß wir eigentlich davon ausgingen, daß du von Deptford aus mit Matthew Baker nach Chatham reisen, bei deinem Freund übernachten und dich keinesfalls vor heute morgen auf den Weg nach Mayfield machen würdest. Nun, du entschiedst dich für den Theaterabend in London, und auch da hätten Lord Cumberland und sechs Leibwächter für deine Sicherheit zweifellos garantieren können. So weit, so gut.
Die erste, nicht vorhersehbare Panne hat Sir Walter Raleigh zu verantworten: Seine heimliche Theatereinladung an die Ladies Bess Throckmorton und Susan Pocklington – o ja, natürlich wissen wir, wer die beiden verschleierten und maskierten Damen waren. Daß dir und Sir Walter dringlichst daran gelegen war, die Damen heil nach Hampton Court zurückzubringen, ist begreiflich, ließ dich aber ohne ausreichenden Schutz zurück.
Die zweite Panne war, daß Lord Cumberland mit den verbliebenen beiden Leibwächtern in dem Gedränge und der Dunkelheit von dir getrennt wurde – ich meine, ihm ist hierbei kein Vorwurf zu machen. Ysabels Nachricht war so wichtig, daß sie Sir Francis Walsingham unter allen Umständen erreichen mußte!«
»So war es!« bekräftig Cumberland.
»Aber«, ergreift William wieder das Wort. »Aber: Die eigentliche Schuld an dem bösen Zwischenfall trifft niemand anderen als deine Ysabel! Hätte sie, wie ihre Weisung lautete, sich von Margate aus sofort nach Barn Elms begeben, so wäre gar nichts passiert. Wann, wo und wie die Verschwörer sie erkannten und weshalb sie ihr zunächst nur folgten, anstatt sie sofort anzugreifen, wissen wir noch nicht. Tatsache jedoch ist, daß Ysabel damit, daß sie zunächst ins R OSE eilte, um dich zu warnen, die Mordbuben überhaupt erst in deine Nähe brachte.«
»Mit welchem Recht, zum Teufel, hat Walsingham Ysabel mit Geheimnachrichten bei Nacht und Nebel durch halb England zu jagen?« errege ich mich.
»Mit dem Recht«, entgegnet William kalt, »daß er sie und ihre Familie vor Zeiten vor der spanischen Inquisition gerettet hat und daß sie nach wie vor in seinen Diensten steht, auch wenn sich dieser Dienst derzeit in der Hauptsache darauf beschränkt, dein Bett zu wärmen.«
Schon habe ich eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, doch William erhebt sich:
»Ich muß mich entschuldigen, aber meine anderen dringenden Verpflichtungen rufen. Diese katholische Verschwörung Maria Stuarts ist noch nicht restlos zerschlagen. Cumberland wird dich nach Barn Elms bringen, wohin – dies zu deiner Beruhigung – heute morgen auch Ysabel transportiert wurde.«
Voll Ungeduld erlebe ich die Fahrt von Stepney die Themse aufwärts durch London und an Westminster vorbei. Das muntere Geplauder Cliffords höre ich kaum; die rund zwanzig schwerbewaffneten Waliser in den beiden Begleitbooten weiß ich allerdings zu schätzen. Endlich taucht in der Flußbiegung die grünlich bemooste, mit den scharfen Eisenspitzen gekrönte Backsteinmauer von Barn Elms auf. Die Einlaßprozedur an dem kleinen Eisentor neben dem Landungssteg scheint eine Ewigkeit zu dauern, und endlich drinnen, eile ich mit langen Schritten durch den alten Park, so daß Lord Cumberland Mühe hat, Schritt zu halten.
Doch dann führt mein Weg keineswegs, wie erwartet, direkt zu Ysabel, noch in das Arbeitszimmer Walsinghams. Statt dessen finde ich mich in einem prunkvoll, aber düster eingerichteten Gästezimmer wieder, mit der Aufforderung, mich wie zu Hause zu fühlen.
»Ich will sofort Sir Francis sprechen!« begehre ich auf, doch Cumberland wehrt ab, ich müsse Geduld haben, da für den Ersten Staatssekretär die Mordverschwörung im Augenblick Vorrang habe, und so weiter und so fort. Mein Versuch, statt dessen von Clifford irgendwelche weiteren Einzelheiten zu erfahren, läuft ins Leere.
Mein wachsender Ärger wird für eine Weile abgelenkt, als mich Cumberland auf mein heftiges Drängen hin endlich in ein Nebenzimmer geleitet, wo man Ysabel untergebracht hat. Von einem Wundarzt betreut, schläft sie in einem schmalen Bett mit frischen Bezügen.
»Die Frau im R OSE T HEATRE hat gute Arbeit geleistet«, beruhigt mich der Wundarzt. »Sie hat allerdings viel Blut verloren und ist noch sehr schwach. Aber in vier oder fünf Wochen wird sie
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