Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Zudem hätten sie sich wegen des Streits, der damals über die Verteilung der Kontinente tobte, schon vorher gegenseitig erschlagen, hätte man sie bei manchen Zusammenkünften allein gelassen. Ihre gewalttätigen Charaktere kennen kein Verzeihen.«
»Grenvilles Haß muß sich seit unserer Überfahrt von Venedig nach England noch gesteigert haben.«
»Wann war das?«
»1579. Damals schon war er tief verletzt wegen Drakes Bevorzugung hinsichtlich der Weltumsegelung.«
»Das hat sich seitdem sicher gesteigert, denn Grenville führte erst vor zwei Jahren die ersten Kolonisten nach Virginia. Ruhm hatte er sich davon erhofft, doch Drake rettete die Siedler vor gut einem Jahr vor dem sicheren Hungertod, indem er sie zurückbrachte.«
»Wohl alles Mist, was Grenville anpackt?«
»Großer Mist! Liegt aber in der Familie.«
»Wie meint Ihr das?«
»Noch so ein Fall …«
»Erzählt!«
»Am 19. Juli 1545 als die Flotte Henrys VIII. sich vorbereitete, um die eindringenden Franzosen vor Portsmouth zu attackieren, kenterte das Flaggschiff, die M ARY R OSE , vor den Augen des Königs und seiner Schwester, auf deren Namen sie getauft war, und versank in den Fluten des Spitheads. Unter den Hunderten an Opfern auch der Kapitän. Es war Roger Grenville, der Vater von Richard! Drake erzählte mir, das Roger einfach übersehen hatte, bei dem böigen Wind die unteren Stückpforten der riesigen Karacke verschließen zu lassen. Ein klarer Fehler des Kapitäns.«
»Bei Gott …!«
»Ja, bei Gott! Die Generationen der Grenvilles haben wirklich nichts zu lachen. Allein die Kanonen an Bord der M ARY R OSE würden heute ausreichen, zwei unserer besten Schiffe zu bewaffnen.«
»Mit Feldschlangen?«
»Verzeiht. Ich weiß, was Euch bewegt. Ich sehe nur die vielen Rohre, die dort unten ungenutzt von Fischen umschwärmt werden.«
Fenner hat sich weit über den Teller gebeugt, zerrt das Fleisch vom Knochen, kaut es langsam durch und legt die Knochen ab. Da ich seinen Appetit teile, leeren sich die Pfannen schnell. Nachdem nur noch die blanken Knochen auf dem Tisch liegen, frage ich erneut nach Grenville:
»Was wißt Ihr sonst noch über Richard Grenville zu berichten?«
»Vielleicht hättet Ihr ihm begegnen können, denn ich glaube, er kämpfte für König Maximilian 1566 in Ungarn gegen die Türken.«
»Wenn er unter den Habsburgern gedient hat, dann gilt er allemal als ein Mann der Tat.«
»Das ist er zweifelsohne, doch sollte man sich vor ihm in acht nehmen, er hat zu viele Enttäuschungen hinter sich. Immer dann, wenn er aufbrechen wollte, sollte ausgerechnet Spanien bei guter Laune gehalten werden. Frobisher ging es fast genauso. Er durfte sich den widrigen Weg nach Cathay durch die Gefrorenen Seen suchen.«
»Vielleicht ergeht es uns mal genauso.«
»Lästert nicht!« schmunzelt Fenner. »Drake hat das Kommando, und das bedeutet Ruhm und fette Beute. Kein Platz für Versager! Zum Wohl.«
»Zum Wohl! – Was sind Eurer Meinung nach die Ursachen, daß die Königin, die ja von manch wichtigen Leuten als schrecklich wankelmütig eingestuft wird, sich plötzlich auf so einen geraden Kurs festlegt, indem sie Spanien angreifen läßt? Damit hat sie sich doch klar für Widerstand entschieden und der Kooperation mit Spanien endgültig eine Absage erteilt?«
»Klarer Kurs? Nett gesprochen. Sie weiß, daß Philipp rüstet und seine Flotte mobilisiert, und sie weiß, daß Philipp der Welt erzählt, nur sie allein habe das Märtyrerblut Maria Stuarts vergossen und zu verantworten. Sie wird es eher vermeiden wollen, vor allem nach außen hin, Habsburg erneut herauszufordern.«
»Dann verstehe ich das ganze Theater nicht. Sobald wir Plymouth verlassen, ist doch nichts mehr zu retten.«
»O doch! Da ist noch viel zu retten.«
»Wie und was?«
Fenners Züge erstarren zu einer eisernen Maske:
»Die Spanier sind doch schon längst über das, was im Hafen von Plymouth geschieht, unterrichtet. Im Verräternest Paris haben sowohl Walsingham wie auch die Spanier ihre verläßlichen Agenten sitzen. Beide Seiten werden von England her bedient. Die Frage ist nur, mit welchen Informationen. Vielleicht warnt er sie sogar selbst davor.«
»Walsingham selbst warnt die Spanier vor uns!?«
»Das wiederum glaube ich nicht so sehr. Aber …«
»Ja? Was aber …«, hake ich nach.
»Das ist ein sehr heikles Thema.«
»Warum beginnt Ihr dann damit? Habt Ihr Bedenken, ich könnte …«
Fenner zögert:
»Das nicht gerade … Also … ich meine,
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