Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Nachtstunden den Wind abzunehmen. Der Herzog von Medina Sidonia führt seine Armada offensichtlich äußerst vorsichtig, was zu unserem Vorteil ist. Die Flotte wird unserer Hecklampe folgen. Lieutenant Preston, Ihr seid mir für den Kontakt mit den Pinassen verantwortlich. Ihnen stehen Master Gray und Master Newton zur Seite. Ich bin unverzüglich über jede Nachricht zu informieren. Sir Adam, Ihr inspiziert mit Master Clerke noch einmal die Batterien! Kapitän Morgan, Ihr informiert die Soldaten und Master Wright die Seeleute.« Damit verstummt er für einen Moment und wartet ab, bis die Gespräche untereinander wieder verebben. Dann hebt er mit Inbrunst in der Stimme an:
»Wir werden den Auftrag erfüllen, das Meer zu bewahren, das Englands Schutzwall ist – und England ist in Gottes Hand bewahrt!
Gentlemen, ich erwarte Euch alle um neun in meiner Kajüte zum Dinner!«
Sonntag,
der 21. Juli
In dieser Nacht denkt kaum einer an Schlaf.
Gestern beim Abendessen in der Admiralskajüte hatte Charles Howard unerschütterliche Ruhe und Zuversicht ausgestrahlt. Noch einmal hatte er uns in einer kurzen Tischrede all die Anstrengungen vor Augen geführt, die in den letzten zehn Jahren unternommen worden waren, um diesen unvermeidlichen Zusammenprall mit Spanien vorzubereiten. Dann hatte er uns mit den neuesten Zahlen vertraut gemacht:
»Unsere Flotte umfaßt alles in allem 197 Schiffe. Die Armada König Philipps gebietet, letzten Spionageinformationen zufolge, über 130 Schiffe. Meine Herren, lassen Sie sich aber bitte durch dieses scheinbar günstige Zahlenverhältnis nicht täuschen! Auf unserer Seite sind nämlich nicht nur das Geschwader unter Lord Henry Seymour, das nahe der Themsemündung kreuzt, mitgezählt, sondern auch die Versorgungsschiffe und selbst die kleinen, unbewaffneten Küsten- und Verbindungsfahrzeuge bis zu 20 Tonnen herunter, die im Kampf nicht eingesetzt werden können, während die spanischen Schiffe durchweg bewaffnet sind und nur wenige Einheiten unter 100 Tonnen liegen.
Ein paar weitere Zahlen mögen die wahren Kräfteverhältnisse besser verdeutlichen:
Die Gesamttonnage unserer Flotte wurde mit 30 146 Tonnen berechnet, die der Spanier auf das Doppelte! Noch viel dramatischer wird der Unterschied, wenn wir die Zahl der kampfstarken Schiffe mit 600 Tonnen und mehr vergleichen: Nur acht auf unserer Seite stehen auf Seiten der Spanier nicht weniger als 51 gegenüber!«
Ein Stöhnen ging um den Tisch. Doch der Lordadmiral fuhr unerbittlich fort:
»An Bord unserer Schiffe befinden sich 15 540 Mann, an Bord der Armada rund 30000! Wir verfügen über 1124 Geschütze mit mehr als 4 Pfund Kugelgewicht, die Spanier über deren rund 2000.«
Während wir noch das Gehörte zu verarbeiten versuchten, platzte Sir Edward Hoby, seines Zeichens Sekretär und offizieller Berichterstatter der Königin, in Wahrheit Neffe, Protegé und Spitzel Lord Burghleys, heraus:
»Wenn wir das auch nur im entferntesten geahnt hätten, dann hätten wir niemals … «
Doch Charles Howard schnitt ihm barsch das Wort ab:
»O doch! Denn wir werden die spanische Armada, die sich selbst voller Hybris als ›unüberwindlich‹ bezeichnet, schlagen und vernichten!«
Unser aller Augen waren auf den Lordadmiral gerichtet.
»Zum ersten und wichtigsten: Was sind die Spanier? Eine Horde von Söldnern, die sich als Kreuzfahrer bezeichnen, Männer, deren wahres Ziel allein im Plündern, Morden und Vergewaltigen besteht, geführt von einem Admiral, der bis zu dieser Stunde noch nie auf den Planken eines Schiffes gestanden hatte, gebunden und gefesselt durch die Befehle, Richtlinien und Anweisungen aus dem Escorial. Eine päpstliche Bulle, Fahnen und Flaggen, an denen über 2000 Jungfrauen und ehrbare Frauen über zwei Jahre gestickt haben, und die Hoffnung auf ein Wunder sind ihre stärksten Waffen.
Und was sind wir? Männer, die von Kindesbeinen mit dem Meer vertraut und mit dem Rücken zur Wand um Freiheit und Leben für sich und ihre Liebsten kämpfen! Wir wissen, wofür wir notfalls zu sterben bereit sind!«
Für einen Augenblick ließ Lord Howard die Worte auf uns einwirken, ehe er fortfuhr:
»Unsere Flotte besitzt dem Feind gegenüber klare Vorteile, deren wir uns bewußt sein sollten.
Die Spanier verfügen über die besten und tapfersten Soldaten der Welt – das ist eine allgemein anerkannte Tatsache. Diese Soldaten nützen aber nur im Enterkampf Mann gegen Mann.
Wir aber verfügen über die besten Kapitäne, Matrosen
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