Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
und nun wird der gewaltige Sieg der Spanier uns und England vernichten. Ja, an dem Sieg werde ich keinen Anteil haben, werde fallen und mein Grab wird das Meer sein, meine Totengräber die Fische. »… aber am Ende steht ein entwurzelter Baum …«, kommen mir nun auch die Worte Ysabels damals in Sterzing bei unserer ersten Begegnung, als sie mir aus der Hand las, wieder in den Sinn. Meine Blicke gehen hinauf zu den Masten der A RK R OYAL . Ein entwurzelter Baum … Welcher der noch hoch aufragenden Masten wird es sein, der mich erschlagen wird?
»Drake und Frobisher haben es geschafft!« schallt es aus der Fockmars an Deck herunter. Jetzt sehen auch wir es: Während wir im Rücken des gigantischen Halbmonds der Armada mit halbem Wind nordwärts laufen, kommt uns unser zweites Geschwader entgegen, das sich vor allem mit den älteren, schwereren Einheiten wie der W HITE B EAR Lord Sheffields, der E LIZABETH J ONAS unter Sir Robert Southwell und der T RIUMPH Martin Frobishers unter der Küste Cornwalls westwärts gequält hatte.
»Zeit und Ort richtig gewählt zu haben bedeutet bei allen Kampfhandlungen den halben Sieg«, hatte der Lordadmiral, hatte Drake gesagt. Nun, immerhin dieser Teil ihres Planes ist aufgegangen. Unsere Flotte hat den Spaniern den Wind abgenommen, hat sich damit den Vorteil verschafft, bestimmen zu können, wann und wo wir angreifen wollen.
»Lediglich ein paar Strich backbord, und der Herzog von Medina Sidonia segelt mit dem gewaltigsten Flottenaufgebot, das die Welt je sah, mit frischem Rückenwind hinein in den Hafen von Plymouth, den wir ihm so freundlich freigemacht haben«, näselt Sir Edward Hoby, während er die feine Spitzenmanschette, die aus der Armröhre seines schwarzen Harnischs hervorragt, zurechtzupft.
»Wollt Ihr die Entscheidungen des Lordadmirals kritisieren, Sir Edward?« hält Thomas Gerard, einer der Freiwilligen Herren, dagegen.
»Meine Aufgabe ist es, als Sekretär lediglich zu beobachten und Ihrer Majestät zu berichten, was ich beobachte«, wehrt Hoby hochmütig ab. »Und das, was ich im Augenblick beobachten muß, ist, daß die Kapitäne unserer Flotte nicht in der Lage sind, die Befehle des Lordadmirals korrekt umzusetzen.«
Wenn Gerard und die anderen beschließen sollten, Sir Edward Hoby, diesen Stachel in unserem Fleisch, außenbords zu werfen, werde ich ihnen mit Vergnügen helfen.
Auch wenn er mit seiner letzten Bemerkung so ganz unrecht nicht hat. Denn noch sind im Augenblick die beiden aus Norden und Süden heranrauschenden Geschwader dabei, sich zu vereinen. Unsere Flotte ist tatsächlich ein noch recht wirrer Haufen, und es sieht nicht danach aus, daß unsere Pinassen und Beiboote, die mit Anweisungen hin und her preschen, Ordnung in das Chaos bringen werden.
Unterdessen treffen wir unsere letzten Vorbereitungen. Während ich mich wie die anderen Offiziere in meinen Harnisch schnallen lasse – jetzt kommt Meister Halders Arbeit endlich zur Geltung -, überprüfen die Kanoniere ein letztes Mal ihre Bestände an Kugeln, Kartuschen und Luntenschnüre, schrauben die Soldaten noch mal hastig an den Schlössern ihrer Arkebusen herum, werden Enterbeile, Piken und Messer an die Matrosen ausgegeben, löschen die Köche die Feuer im Kombüsenherd, läßt John Banester, unser Schiffschirurg, unter dem Kanonendeck seine Instrumente neben einem grob gezimmerten, aber stabilen Tisch zurechtlegen.
Thomas Vavasour, einer der adeligen Freiwilligen, der seit Wochen im Auftrag Walsinghams nichts anderes getan hatte, als jedes Krümelchen an Informationen über die spanische Flotte seinem Gedächtnis einzuprägen, informiert uns unterdessen über die Zusammensetzung des gigantischen Halbmonds:
»Ganz links, das ist das Biscaya-Geschwader mit 14 Schiffen unter Don Juan Martínez de Recalde, Ihr erkennt es an den blauen Flaggen mit dem roten Astkreuz. Daneben segelt das andalusische Geschwader mit 11 Schiffen unter Don Pedro de Valdés. Die Mitte halten die 12 Schiffe des portugiesischen Geschwaders unter dem persönlichen Oberkommando des Herzogs von Medina Sidonia und die 16 Schiffe des kastilischen Geschwaders unter Don Diego Flores de Valdés; man erkennt sie an der kastilischen Flagge im Topp. Bei ihnen befinden sich auch die vier schweren Galeassen aus Neapel unter Don Hugo de Moneada. Links davon ist das nächste das Giupuzcoa-Geschwader, 14 Schiffe unter Don Miguel de Oquendo und ganz außen das Levante-Geschwader unter Don Martin de Bertendona. Von uns durch
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