Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
die Höhe von Portland Bill bringen wird. Mit ablaufendem Wasser und der Drehung des Windes am Vormittag werden sie bis zum Kentern der Gezeiten mittags etwa die Höhe von Tyneham erreichen.
Mit dem erneuten Schub der Flut und Rückenwind kann die Armada bis 7 Uhr abends auf Höhe der Westspitze der Isle of Wight liegen; gegen den Ebbstrom, jedoch mit Rückenwind, um gegen Mitternacht St. Catherine’s Point erreichen. Mit Flut und Wind steht sie gegen 4 Uhr morgen früh an der Ostspitze der Insel. Bis zum Kentern der Flut kommen die Spanier nochmals rund fünf Meilen voran – liegen dann auf der Höhe von Portsea Island.
Und dann brauchen sie sich nur noch vom einsetzenden Ebbstrom durch den Spithead nach Portsmouth hineinschieben zu lassen!«
»Dann gnade Gott uns und England!« keucht Fenner.
»Die Dons haben weder versucht in Falmouth, noch in Plymouth oder Torbay an Land zu kommen«, versucht Drake Optimismus zu verströmen. »Offensichtlich lauten die Befehle des Herzogs von Medina Sidonia, zunächst die Landtruppen des Herzogs von Parma, die in den Niederlanden warten, an Bord zu nehmen, ehe sie den Versuch einer Invasion wagen.«
Doch der Lordadmiral widerspricht:
»Falmouth und Plymouth liegen weit im Westen, und Torbay bietet nicht genug Schutz für die riesige Flotte. Der Solent, geschützt durch die Isle of Wight, wäre der ideale Brückenkopf für eine Invasionsarmee! Nein, Sir Francis, ich fürchte, Portsmouth ist das nächstliegende Ziel der Spanier.«
»Dann gibt es nur eins«, erklärt Drake kategorisch: »Sobald der Wind gedreht hat überholen wir die Spanier, legen uns mit allem was wir haben in den Solent und verwehren ihnen, koste es was es wolle, die Zufahrt.«
»Ach ja?« brummt Frobisher ärgerlich. »Ihr könnt das ja vielleicht machen, Sir Francis. Euch scheint es ja an Pulver und Kugeln nicht zu mangeln …«
»Wie sieht es mit der Munition genau aus?« klinkt sich Lord Howard ein.
»Beschissen!« platzt John Hawkins heraus, und unser Geschützmeister Samuel Clerke beeilt sich hinzuzufügen: »Dafür schießen wir dreimal so schnell und verbrauchen dreimal so viel Munition wie die Dons!«
Der Lordadmiral wischt die Einwürfe mit einer ärgerlichen Handbewegung zu Seite.
»Zahlen, meine Herren!«
Lord Thomas Howard, sein Bruder, rechnet vor:
»Exakte Zahlen haben wir nur für die königlichen Schiffe. Auf den anderen Einheiten, den Schiffen aus London und den Freiwilligen, dürften die Bestände in der Regel unter denen der königlichen liegen.
Als wir von Plymouth ausliefen, hatte jedes Schiff durchschnittlich 25 bis 30 Kugeln und Pulverkartuschen pro Geschütz an Bord. Davon wurde mindestens die Hälfte bei dem Gefecht vor Plymouth verschossen. Durch die Munition, die wir nach der Eroberung der R OSARIO und der S AN S ALVADOR an die königlichen Schiffe verteilen konnten, ist der ursprüngliche Zustand in etwa wieder hergestellt.«
»Bei uns nicht!« melden sich Martin Frobisher, Lord Sheffield von der W HITE B EAR und Edward Fenton von der M ARY R OSE sofort zu Wort.
»Wir haben bei der Verteilung«, verteidigt sich Lord Thomas, »vor allem die neuen und schnellen Einheiten berücksichtigt. Es tut mir leid, daß für die älteren Schiffe dabei nichts mehr übrig blieb.«
»Und womit sollen dann wir schießen?« fragt Lord Sheffield gereizt zurück. »Die Menge an Munition war von Anfang an lächerlich – jetzt entwickelt sie sich zur Katastrophe!«
»Zumal angesichts der ach so sparsamen Dreyling-Geschütze«, läßt sich Hoby vernehmen.
»Ich habe schon vor mehr als Jahresfrist und dann wieder und wieder auf diesen Mangel aufmerksam gemacht!« werfe ich ein. »Ich habe an das Navy und Ordnance Bord geschrieben. Ich habe gemahnt, gefleht, beschworen, die entsprechenden Mengen an Munition bereitzuhalten – vergeblich!«
»Das ist wahr«, bestätigt John Hawkins. »Leider nur zu wahr! Und jedesmal hieß es, es mangle an Geld, die Kosten seien zu hoch …«
»Wir alle haben das getan!« erregt sich Sir Francis Drake. »Wir alle, die wir wußten, daß eine Schlacht gegen die Spanier nur mit den Geschützen gewonnen werden kann. Aber Sir William Winter, unser ehrenwerter Master of Ordnance und Navy Bord hielt stur an seinem Glauben an den Enterkampf als alleiniges Mittel einer Seeschlacht fest – und Eurem hohen Gönner, Sir Edward, dem Lordschatzmeister William Cecil, Baron of Burghley, war diese Einschätzung nur allzu angenehm, kostete sie ihn doch weit weniger
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