Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Pater Conrad, den Guardian des Franziskanerklosters, der beruhigend, begütigend auf die Leute einredet.
»Die Pfennwerte!«
»Der Fron!«
»Das Dreifache Scheidwerk!«
Erneut werden die Rufe laut.
»Müßt Ihr mit dem Erzherzog, mit den Herren Fugger verhandeln – nicht mit ihrem leeren Haus.«
»Und wo sind deine Herren Fugger?« poltert der Schichtmeister Thomas Hasl.
»Geflohen. Weg. Nach Hall, nach Innsbruck – was weiß ich?«
»Und wie sollen wir da mit ihnen reden?« höhnt Mornauer, der »Silberling«.
Erasmus Reisländer? Wo steckt Erasmus Reisländer? Der Bergmeister würde wissen, was zu antworten, was zu tun ist. Meine Blicke suchen verzweifelt nach seiner hohen Gestalt.
»Nun? Was also, Herr Schiener?«
»Eine – eine Delegation. Eine Delegation nach Innsbruck an den Erzherzog.«
»Und wer soll sie führen?«
»Adam Dreyling!« ruft die Stimme Pater Conrads. Geschickt klettert der Franziskanerguardian neben mir auf den Bauernkarren. »Herr Dreyling ist Schiener, ein Mann vom Berg. Und er hat Verstand. Herr Dreyling soll die Delegation fuhren!«
»Der Gewerkenbub!« grölt Mornauer. »Da wird etwas schönes herauskommen, wenn der mit Gewerken verhandelt!«
»Dann komm doch mit, Mornauer!« rufe ich wütend.
»Und ob ich mitkomme!« brüllt der Silberbrenner. »Wir alle werden mitkommen. Wir alle!! Los! Auf nach Innsbruck!«
»Nach Innsbruck!« greift die Menge den Ruf auf.
»Gemach, Leute, gemach!« ruft Pater Conrad dazwischen. »Es ist mitten in der Nacht. Solch eine Sache will in Ruhe beredet und vorbereitet sein.«
»Nach Innsbruck!«
»Leute, ich werde vor dem Rathaus ein Faß Freibier aufstellen lassen. Da könnt Ihr dann bei einem Trank das weitere bereden.«
»Freibier!« johlt Nicklas Findler. »Ein Hoch dem heiligen Franziskus!«
»Alkohol?« frage ich leise den Guardian.
Er blinzelt mir zu. »Es ist fast zwei Uhr nachts. Um diese Zeit wird das Bier die Leute eher schläfrig als streitlustig machen …«
»Pfennwerte – Freibier – Dreifaches Scheidwerk – Innsbruck - Hoch, Franziskus – Nieder mit den Fuggern – Gold für die Toten« hallen die Rufe über den Platz, und immer wieder auch der Ruf: »Hoch, Dreyling!«
Die Menge beginnt abzuwandern; langsam fließt sie wieder in die Stadt zurück. Eine Gruppe von Knappen und Bürgern, umringt mich, schüttelt mir die Hände, klopft mir auf die Schulter:
»Ihr werdet das schon richtig machen. – Ihr werdet in Innsbruck für uns sprechen!«
Wir gehen zurück.
Ganz Schwaz scheint auf den Beinen.
Irgendwann stehe ich auf dem Bierfaß und predige Vernunft:
»Keine Gewalt, Freunde! Auch nicht gegen die Herren Fugger. Wir würden uns damit nur ins Unrecht setzen. Unsere berechtigten Forderungen beschmutzen.«
Immer wieder muß ich Hände schütteln.
»Das Dreifache Scheidwerk …«
»Werden wir mit allen Mitteln zu verhindern suchen!«
»Die Pfennwerte, Herr Dreyling …«
»Müssen gesenkt werden.«
»Mein Mann ist im Gapl ertrunken. Ich habe zwei kleine Kinder. Bekommen wir nun auch die Entschädigung wie die vom Raber, Herr Dreyling?«
»Ich weiß es nicht. Ich denke wohl schon …«
Nicklas Findler torkelt auf mich zu, Bart und Brustlatz des Wamses von verschüttetem Bier triefend:
»Ein Hoch unserem Anführer, dem heiligen Dreyling!«
Ich eile durch die Wirtshäuser, die ihre Pforten in dieser Nacht geöffnet halten. Ich rede, beruhige, versuche Forderungen auf ein vernünftiges Maß zurückzuschrauben, kämpfe gegen Gerüchte, die wie Pilze nach einem Sommerregen aus dem Boden schießen.
»Ist’s wahr, Herr Dreyling, daß der Herr Fugger zehntausend Landsknechte in Marsch gesetzt hat, um Schwaz niederzubrennen?«
»Woher soll er denn über Nacht zehntausend Landsknechte nehmen?«
»Denkt an Neusohl Anno 153 7! Da haben die Herren Fugger auch die Knappen mit Landsknechten und Waffengewalt wieder in die Stollen treiben lassen!«
»Ihr sprecht die Wahrheit. Doch 1574 ist nicht 1537.«
»Ist’s wahr, Herr Dreyling, daß der Bergmeister Reisländer heute nacht hingerichtet worden ist?«
»Gott behüte! Und weshalb denn?«
»Weil er den Befehl zum Aufschlagen am Raber gegeben hat.«
»Er hat den Befehl nicht gegeben! Der Herr Marx Fugger hat den Befehl gegeben.«
»Ist’s wahr, Herr Dreyling, daß jeder Hinterbliebene eines verunglückten Knappen hundert Golddukaten erhält?«
Das letzte Gerücht ist besonders hartnäckig. Das Gefasel von Gold des Herrn Siegmund, der halbe Dukaten Prämie aus
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