Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Sachsen beispielsweise …
Thomas Orthmann! Mein eifriger, stets dienstbeflissener, stets hilfswilliger, stets mir Arbeit abzunehmen bereiter Altgeselle! Mehr noch als Stanton kann er sich überall frei in der Gießerei bewegen, besser noch als Paine ist er mit fast allen Arbeitsgängen vertraut. Und gründlicher als bei jedem anderen habe ich bei ihm darauf geachtet, wirkliche Geheimnisse vor ihm auch geheim zuhalten!Wie recht ich doch hatte!
Ich stehe auf, öffne die Tür und horche in den Hausflur hinaus. Aus der Küche im unteren Stock höre ich die Stimmen der drei Männer. Gut!
Mit leisen schnellen Schritten überquere ich den Gang, husche auf den Hof hinaus, begebe mich zu den Quartieren meiner Leute. Mit einem Nachschlüssel öffne ich die Tür zu Orthmanns Zimmer, trete ein, lasse meinen Blick schweifen. Die Kleidertruhe? Zu auffällig. Die Bettstatt mit dem Strohsack? Bestimmt nicht. Der schmale Tisch, der Hocker? Nein. Die Wände? Weiß gekalkt und fugenlos. Der Dielenboden? Stabil. Die Decke mit den schweren Balken, abgedeckt mit Brettern …
Ich greife nach oben, taste die Bretter ab. Und siehe da, zwei lassen sich mühelos anheben. Ich greife mit der Rechten in den Hohlraum, fühle ein Paket, ziehe es hervor.
Einen Augenblick später liegt mein Fund auf dem Tisch, ein mittlerer Stapel Blätter, eingeschlagen in Leinen.
Im Licht der letzten Abenddämmerung gehe ich blitzschnell die Aufzeichnungen durch. Und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Das steht säuberlich aufgelistet alles, was mein werter Altgeselle in all den Jahren an Informationen ergattern konnte, Maße und Gewichte und Materialien. Sogar die Zahl der Buchenscheite, die bei jedem Schmelzvorgang in den schwarzen Riesen verfüttert wurden, ist getreulich aufgezeichnet – ich hätte sie nicht gewußt. All meine geheimnisvollen Anmerkungen und Hantierungen stehen da verzeichnet – ich ahnte gar nicht, wie geheimnisvoll sie wirkten. Eine Reihe von Zeichnungen befaßt sich mit den Bauten der Gießerei: Grundrisse, Ansichten, sogar die exakten Maße der Fenster …
Thomas, o Thomas! Fleißig warst du. Sehr, sehr fleißig! Sehr, sehr gründlich! Nur von dem, worum es wirklich geht, davon steht in deinen Aufzeichnungen keine Silbe! Ob du für Walsingham arbeitest oder für dich selbst, die Sieben Siegel Dreylingscher Gießerkunst werden dir auf ewig verschlossen bleiben!
Zutiefst beruhigt packe ich die Blätter wieder zusammen, verstaue das Paket in seinem Versteck, kehre geräuschlos und ungesehen in mein Arbeitszimmer zurück, wo ich mich erneut in die Schreiben an das Navy Bord, das Ordnance Bord, an Sir William Winter, Sir John Hawkins, Lord Warwick und Sir Francis Drake vertiefe; denn nun ist es unvermeidlich, daß ich mich um Aufträge für meine Gießerei kümmern muß, wenn sich die Wasserräder wieder drehen, die Kamine der Öfen wieder rauchen sollen.
Dienstag,
der 24. September
Das Klappern von Pferdehufen auf dem Pflaster des Hofes läßt mich aufspringen. Ich eile die Treppen hinab und reiße die Haustür auf, kann gerade noch rechtzeitig zupacken, um zu verhindern, daß mein von einer dichten Whisky-Wolke umhüllter Besucher der Länge nach in den Hausgang fällt.
»Sir Richard Grenville!« rufe ich erstaunt, als mein Gast das Gleichgewicht wieder gefunden hat. »Was bringt Euch nach Mayfield?«
Grenville glubscht mich an, als wisse er nicht, wo er sich befindet.
»War in der Nähe, wollte nur eben mal hereinschauen«, brabbelt er schließlich. »Habt Ihr etwas Vernünftiges zu trinken da? Ich verdurste!«
Während ich den bedenklich schwankenden Sir Richard in die Stube bugsiere, wo er sich krachend in einen Sessel fallen läßt, erscheint Ysabel mit einer Flasche Whisky und zwei Bechern. Ungeniert greift Grenville nach der Flasche, zieht den Korken mit den Zähnen heraus, setzt an, läßt das Gebräu wie Wasser die Kehle hinunterlaufen. Gut zu einem Drittel geleert setzt er die Flasche schließlich auf dem Tisch ab, hält aber seine Faust fest um sie geballt, seufzt tief: »Das war gut!«, rülpst, schüttelt ein paarmal den Kopf wie ein nasser Hund, nimmt noch einen tiefen Zug und schaut mich dann mit überraschend klaren Augen an:
»Hab’s mir schon gedacht. Wollt’s aber mit eigenen Augen sehen!«
»Was habt Ihr Euch gedacht, Sir Richard? Was wolltet Ihr sehen?« frage ich.
»Ob in Mayfield noch so ein Opfer königlicher Dankbarkeit sitzt. Und siehe da: so ist es!«
»Wie meint Ihr das?«
»Na, ist doch
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