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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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Schiffe mit leeren Proviantmagazinen und Matrosen, denen die Heuer nicht ausbezahlt wurde, Kranke und Verwundete, die vergeblich auf ärztliche Hilfe warten, Soldaten und Milizionäre, die ohne Sold und Befehl nicht wissen, ob sie bleiben oder gehen sollen. Tilbury hat sich daher in den letzten zwei Wochen erschreckend verändert. Wo eben noch Menschen ausgelassen vor Glück über Sieg und Errettung tanzten, sangen und feierten, schleichen nun hohläugige Gespenster, gekrümmt von Hunger, Siechtum und Tod durch die Gassen. Überall auf den Plätzen betteln Scharen vor den Geschäften der Stadt, drängen sich vor den Kirchenportalen um eine warme Suppe. Glück haben nur ein paar hundert stämmige Burschen, die, von Bürgern und Geschäftsleuten angeheuert, gut bewaffnet vor Läden und Häusern gegen Milizionäre und Matrosen Wache schieben.
    Zutiefst enttäuscht muß ich erkennen, daß ich gemäß der Anordnung von Winter und Seymour zwar immer noch in Tilbury hocke, doch das Warten auf den Ruf an den Hof eine Ewigkeit währen würde … Im St. James Palace, in Hampton Court, in Greenwich Palace oder wo auch immer sich die Königin und der Hof im Augenblick aufhalten, hat man mich, die Matrosen und Milizionäre vergessen!
    Gewiß, der Lordadmiral und auch Hawkins lassen, aus eigener Tasche, wie man hört, einiges an Lebensmitteln und Kleidung herankarren, Cumberland soll, ebenfalls aus eigener Tasche, die Leute der E LIZABETH B ONAVENTURE und der S AMPSON bezahlt haben, Drake kümmert sich wohl um die Männer der R EVENGE und einiger anderer Schiffe seines Geschwaders. Aber angesichts von 15 000 Matrosen und ebenso vielen Soldaten und Milizionären samt den Angehörigen der Gefallenen sind die mildtätigen Gaben nur Tropfen auf glühende Steine.
    Das Maß ist voll! Zumindest für mich! Morgen früh werde ich Tilbury verlassen. Ich werde in Mayfield nach dem Rechten sehen, meine erschöpften Bargeldbestände auffallen und dann nach London reisen, um den mir zustehenden königlichen Dank einzufordern!

Dienstag,
der 27. August
    Als ich von Maidstone kommend die ersten zerzausten Rauchfahnen der Kohlenmeiler über den blaugrünen Wäldern des Weald erblicke, fällt die trostlose Stimmung der letzten Tage in Tilbury wie von selbst von mir ab, und als ich die ewig rauchgeschwängerte Luft von Mayfield schnuppere, sauge ich sie tief in meine Lungen. Gutgelaunt trabe ich durch die Hauptstraße von Mayfield am M IDDLE H OUSE und der Kirche vorbei, grüße leutselig Bekannte, nehme den Weg hinunter ins Tal nach Mayfield Furnace.
    Etwas verärgert halte ich einen Augenblick mein Pferd an. Meine Gießerei bietet einen Anblick, den ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe: Kein Rauch entweicht aus den Kaminen der Formerei und des Gußhauses, die Wasserräder der Lehmstampferei und der Blasebälge stehen still, auf dem ummauerten Hof kein Mensch zu sehen, nicht einmal eine Wache am Tor … Doch dann schüttle ich über mich selbst den Kopf. Ich habe schließlich auch das letzte bestellte Rohr im Juli geliefert, bin selbst über einen Monat nicht mehr dagewesen. Was sollen, was können denn meine Leute schon tun, außer einmal richtig zu faulenzen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen? Nun, das wird sich jetzt schlagartig wieder ändern. In flottem Trab reite ich den Hang hinunter und sitze beim Tor ab:
    »He! Hallo! Wo steckt Ihr denn alle?«
    Die Tür des Hauses wird aufgerissen und mit wehenden Röcken fliegt Ysabel in meine Arme:
    »Adam! Adam! Du bist wieder da!« Ihre leidenschaftlichen Küsse rauben mir den Atem, machen mich schwindlig. »Ich hatte ja solche Angst um dich!«
    Sie betastet mein Gesicht, als müsse sie sich überzeugen, daß ich wirklich heil und lebendig vor ihr stehe, küßt mich wieder:
    »O Adam, daß du wieder da bist! Jetzt wird alles wieder gut werden!«
    Während der stürmischen Begrüßung sind drei meiner Leute im Hof aufgetaucht.
    Ich winke ihnen freundlich zu:
    »Hallo, Thomas! Wie geht es, James? Was macht deine Gicht, Jonathan? Wo treiben sich denn alle anderen herum?«
    Thomas Orthmann, mein sächsischer Altgeselle, kommt näher:
    »Nu, die sind weg, Meester.«
    »Weg? Wohin weg?«
    »Zurück in ihre alten Gießereien …«
    »Zurück!?« wiederhole ich völlig verblüfft. »Sind die des Wahnsinns?« explodiere ich. »Was soll das? Nur weil ich einen Monat fort bin, hauen sie alle ab? Das lasse ich mir nicht bieten!« Meine Faust ballt sich um die Reitpeitsche und ich habe bereits

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