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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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helle Stimme Williams aus dem Inneren das Hauses ist unverkennbar. Und schon wird die Tür weit aufgerissen.
    Wenige Minuten später sitzen wir an einem warmen Kachelofen, zwei gefüllte Weingläser vor uns, prosten uns zu. Während das Gespräch zunächst belanglos dahinplätschert, habe ich Zeit, meinen Freund zu mustern.
    William sieht schlecht aus, fahl mit dunklen Ringen unter den Augen, Haar und Bart könnten einen Barbier gebrauchen, seine Bewegungen wirken unsicher, seine selbst im Tower adrette Kleidung wirkt nicht schlampig, aber eindeutig nachlässig. Was mich freilich am meisten verblüfft, ist der Wein. Willi, der aus seiner Vorliebe für erlesene Tropfen geradezu einen Kult gemacht hatte, schüttet jetzt binnen weniger Minuten bereits das dritte Glas recht zweifelhaften Sauerampfers in sich hinein.
    »Was machst du zur Zeit? Ich meine, was hast du für Pläne?« frage ich vorsichtig.
    »Ich habe keine Pläne …«
    Aufmunternd versuche ich, meinen Freund aus der Reserve zu locken:
    »Du bist seit Jahr und Tag einer der besten und zuverlässigsten Leute Walsinghams! Du wirst mir doch nicht im Ernst erzählen wollen, daß du hier in Stepney sitzt und Däumchen drehst.«
    »Ich drehe aber – und das vielleicht bis zum Ende meines Lebens. Vergiß nicht, ich bin der Mann, der den Hinrichtungsbefehl für Maria Stuart überbracht hat.«
    »Und damit der Königin, Walsingham und noch ein paar Leuten einen unschätzbaren Dienst erwies!«
    »Habe ich das? Gut, du weißt es. Ich weiß es. Aber weiß es die Königin? Weiß es Walsingham? Wissen sie es – noch?«
    »Das können sie doch nicht einfach unter den Tisch wischen!« empöre ich mich.
    William wirkt müde und resigniert:
    »Das Gedächtnis der Mächtigen dieser Welt ist verdammt kurz, mein lieber Adam!«
    »Nun gut«, gebe ich zu, »vielleicht mag es noch nicht der Zeitpunkt sein, deine Verdienste offiziell anzuerkennen. Aber inoffiziell …«
    »Hat man mir meinen Kopf gelassen – das ist immerhin eine ganze Menge! Und man geruhte mir zu bedeuten, in ein oder zwei Jahren könne man möglicherweise ganz leise, ganz weit weg von England meiner Dienste wieder bedürfen. – Und außerdem ist dieser Wein ungenießbar! Warte einen Augenblick, ich hole uns etwas anderes.«
    Eine Minute später kehrt William mit einer großen Whiskyflasche zurück, schenkt unsere Gläser randvoll:
    »Auf das Beste, das je aus Schottland kam – prosit, Adam! Und auf unsere Zeit in Venedig und die schöne Maria Cavallino – prosit, Adam! Und auf unseren Ritt durch Südtirol und die Strióna – prosit, Adam …«
    Der Rest des Nachmittags und der Abend versinken in Erinnerungen und Whisky. Der letzte verschwommene Eindruck des Tages ist ein Willi, dessen Kopf auf die mit Flaschen bedeckte Tischplatte gesunken ist, während ich mich auf der Ofenbank ausstrecke.

Freitag,
der 22. November
    Als die grauen, bemoosten Mauern von Barn Elms in der Themsebiegung auftauchen, fühle ich mich frisch und voll Tatendrang. Den Kater und die bohrenden Kopfschmerzen, mit denen ich nach dem nächtlichen Besäufnis in Stepney erwacht war, hat der frische, kalte Dezemberwind auf der Themse davongeweht. Der Anblick des Towers, des Turms des R OSE T HEATRE , der London Bridge haben meine Entschlossenheit bestärkt.
    Was habe ich in diesen letzten Jahren hier in London, in England erlebt! Was habe ich geleistet ! .
    Nein, ich würde nicht in Schicksalsergebenheit versinken wie mein armer Freund William. Ich würde meine Rechte einfordern!
    Und wenn man sie mir wirklich verweigern wollte? Beim Papst und allen Hexen! England ist nicht die Welt! Adam Dreyling, den Vernichter der unüberwindlichen Armada, würde man in Frankreich, in Venedig, in der Türkei, in Polen, sogar in Spanien und Österreich auf den Knien empfangen!
    Die Einlaßzeremonie an dem eisernen Flußtörchen von Barn Elms geht überraschend schnell vonstatten. Wenige Minuten nach meiner Ankunft schreite ich schon an der Seite eines Offiziers der walisischen Leibgarde Sir Francis Walsinghams durch den düsteren Park auf das Haus zu.
    Heute sehe ich freilich manches mit anderen Augen. Nicht mehr die wütend kläffenden und an ihren Leinen zerrenden Kampfhunde sind es, die mir imponieren, es sind die Männer mit ihren langen Bogen über der Schulter. Seit ich einen von ihnen in der Schlacht von Gravelines erlebt habe, wie er den Offizier der S AN F ELIPE mit drei Pfeilen an den Besanmast nagelte, bin ich mir bewußt, daß all jene

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