Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
Vom Netzwerk:
Ankerplatz wegdreht. Das Knarren der Blöcke, mit denen die Rahen vorgebraßt werden, ist Schalmeienklang in meinen Ohren.
    »Ihr könnt nun Eure Kajüte beziehen und Euch ausruhen. Das Essen wird um zwölf Uhr hier in meiner Kajüte serviert.«
    »Vielen Dank, Kapitän. Doch erst will ich Abschied von England nehmen.« Bevor ich hinaustrete, wende ich mich noch einmal an Meyerholdt mit einer Frage, die mich brennend interessiert. »Kapitän, welches Ziel steuern wir an?«
    »Natürlich, natürlich!« reagiert er überschwenglich. »Hamburg! Hamburg wird unser Ziel sein. Von dort geht es auf dem Landweg weiter nach Krakau. Zufrieden?«
    »Mhm! Hamburg. Daran muß ich mich erst gewöhnen.«
    Ich hake Ysabel unter, und zusammen begeben wir uns auf Deck. Am Heck angekommen zielt meine erste Frage auf meine neue Ehepartnerin:
    »Frau Dreyling zu Wagrain!? Welche Ehre, Euch an meiner Seite zu wissen.«
    Mit Augen voll diabolischer Feuerchen strahlt sie mich an:
    »Das war eine Bedingung, die ich in London in deinem Namen gestellt habe. Ich wußte, du würdest dem zustimmen.«
    Eng schmiegt sich Ysabel an mich. Stumm stehen wir zusammen und beobachten das immer kleiner werdende Rye. Der Nebel hat sich inzwischen gehoben und gibt die Küstenlinie mit ihren endlosen Marschbänken frei. Als wir backbord die Romney Marsh passieren, unterbricht Ysabel meinen Gedankenfluß:
    »Deine Augen sind voller Schwermut, Adam. An was denkst du?«
    »Eben dachte ich an meine erste Feldschlange. Die Reliquie der Gießkunst muß in ihrem Schrein, der sie geboren hat, geschmolzen sein.«
    Ysabel versucht, meinen Blick einzufangen. Als wir uns tief in die Augen sehen, sagt sie sanft:
    »Ist für dich nur das eine Rohr in Mayfield zerschmolzen?«
    Nach einer längeren Pause habe ich die Antwort:
    »Du hast recht. Es ist dort etwas mehr zerschmolzen, verbrannt und verdampft …«
    Langsam dreht sie der Küste ihren Rücken zu. Gleichzeitig zieht sie an meinem Ärmel. »So etwas muß ja Schwermut erzeugen. Besser ist, wir gehen jetzt vor zum Bug!«
    »Warum sollten wir?«
    Mit fester Stimme deutet sie auf den Horizont:
    »Dort vorn, weit hinter der Kimm sehe ich neue Schmelzöfen, angefüllt mit kalt-glitzerndem Metall, die auf dich warten. Gleich daneben sehe ich auch ein Haus voller Wärme mit einer Frau, die dich liebt.« Daraufhin hakt sie mich unter. »Komm, laß uns vor zum Bug gehen!«

19
Der Orden vom Schwert

    Krakau
1589



Samstag,
der 11. Januar
    Unsere Welt ist klein geworden. Seit drei Tagen schneit es, schneit in dicken weißen Flocken aus Wolken, die so niedrig über unsere Köpfe dahinziehen, daß man fürchten könnte, sie blieben an den Mastspitzen hängen.
    Unsere Welt, das ist die W ITCH OF C UMBER C ASTLE , die bei mäßigem Wind durch die Nordsee pflügt und von deren Decks die Matrosen jede Stunde die weiße Pracht ins Meer schippen. Das ist ohne Unterbrechung niedersinkendes Weiß, das sich nach wenigen Yards in Grau verwandelt und alles andere ringsum ausschließt. Wie ein Gespensterschiff scheint die W ITCH durch den unendlichen Ozean des Nirgendwo zu ziehen. Und zweifellos würden wir nie wieder Land, nie wieder einen lebenden Menschen zu Gesicht bekommen, ewig weitersegeln in diesem Weiß und Grau, wäre da nicht Charon in Gestalt unseres Kapitäns Richard Meyerholdt, der mit ruhiger Stimme von Zeit zu Zeit die Segelstellung ein wenig ändern, den Kurs um ein paar Strich korrigieren läßt und offenbar als einziger nicht nur weiß, wohin wir wollen, sondern auch genau den Weg dorthin kennt.
    Vroom, der auf der W ITCH neben dem Posten des zweiten Bootsmannes auch den des Smutje bekleidet, hatte soeben die Reste unseres opulenten Frühstücks abgeräumt, als uns anhaltendes Gepolter an Deck anzeigt, daß draußen etwas Ungewöhnliches vorgeht. Kajetan Soltyk, der Leutnant, streckt den Kopf in die Kajüte herein:
    »Der Kapitän läßt Euch bitten, Euer Gepäck fertigzumachen. In einer Stunde werdet Ihr von Bord gebracht.«
    Als wir, dick in warme Hosen und gefutterte Stiefel, schwere Jacken und Mäntel gehüllt, die Kapitän Meyerholdt für uns bereitgehalten hat, an Deck kommen, sehen wir, daß die Kapitänsjolle zu Wasser gelassen ist, in der Zanussi und Wronski unsere Bündel verstauen.
    Durch den noch immer dicht fallenden Schneevorhang erkenne ich backbord eine kompakte weiße Masse, die sich vom Grau des Wassers abhebt.
    »Das Elbufer«, bemerkt Meyerholdt. »Wir werden Euch schon bei Teufelsbrück, unterhalb von

Weitere Kostenlose Bücher