Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
der Baustelle von St. Peter in die Kanonicza. Im Vorüberreiten bewundere ich die stattlichen Häuser, die reich geschmückten Fassaden, mache Ysabel auf die fein gegliederten, zumeist aus gelblichem Stein gehauenen Portaleinfassungen aufmerksam. Eine gediegene Wohlhabenheit atmet diese Stadt. Kein orientalischer Märchentraum wie Venedig, aber auch nicht so kleinlich eng wie Innsbruck oder schmuddelig verkommen wie beträchtliche Teile Londons. O ja, hier könnte ich mich schon wohlfühlen …
»Die Kanonicza-Strane hat ihren Namen daher«, erklärt unser Kapten unterdessen, »daß hier außer Eurem ehrgestrengen Herrn Bruder auch eine Reihe hoher Prälaten ihre Residenzen haben.«
Unser Trupp hält vor einem breiten, dreistöckigen Haus mit klar gegliederter, eher schlicht gehaltener Fassade, aber kunstvoll verziertem Portal. Olav, einer der Södermanländer, sitzt ab, klopft an das breite, zweiflüglige Tor. Ein paar Worte zu dem öffnenden Bediensteten, und schon schwingen die Flügel auf, geben uns den Weg durch ein tiefes Tonnengewölbe frei in einen offenen Innenhof mit eleganten Arkaden ringsum und hohen Bäumen, deren Grün im Sommer Schatten spendet. Als ich durch das Portal reite, bemerke ich oben am Architrav das mit Rollwerk verzierte Wappen, erkenne mit Herzklopfen den Steinbock der Dreylings!
Knechte eilen aus dem Haus, helfen Ysabel und mir absitzen.
»Adam! Endlich!«
Mein Fuß hat kaum den Boden berührt, als Ulrich auf mich zugeeilt kommt, mich in die Arme schließt, mich an seine breite Brust drückt. Einen Herzschlag lang ist die Zeit aufgehoben. Schwaz - Krakau, es ist, als habe es die 15 Jahre dazwischen niemals gegeben.
Auch als wir uns gegenseitig an den Schultern halten und uns ansehen, ist es, als sei keine Zeit vergangen. Ulrich ist noch immer der gleiche bärenstarke Mann mit dem jeder Mode Hohn sprechenden Haar- und Bartgestrüpp, dem festen Mund und den gütigen Augen, in denen jetzt Tränen schimmern. Ja, grau ist er geworden, grau aber nicht alt.
»Und das muß deine Frau sein!« dröhnt seine Stimme. Ulrich umarmt Ysabel strahlend, drückt ihr einen schmatzenden Kuß auf beide Wangen. »Willkommen daheim! Ich habe schon so viel von dir gehört …« Ulrich stockt verlegen, doch dann gibt er sich innerlich einen Stoß. »Verzeih, wenn ich einfach du sage, aber schließlich gehörst du ja als Adams Frau zur Familie.«
»Herr Baron«, meldet einer der Diener. »Die Frau Baronin läßt Euch sagen …«
»Daß die beiden endgültig zu Eisblöcken erstarren, wenn wir noch lange hier heraußen herumstehen!« Ulrich legt seine kräftigen Arme um Ysabels und meine Schultern, führt uns ins Haus. »Kommt herein! Legt ab! Wärmt Euch auf! Meine Frau, die Kinder und ein warmes Essen warten schon auf Euch.«
Während ich mich aus Mantel, Stiefeln und dickem Wams schäle, frage ich Ulrich:
»Ich höre Herr Baron – Frau Baronin …«
Ulrich antwortet stolz:
»Ja, der König weiß, wie man verdiente Männer behandelt. Letztes Jahr hat er mich zum Baron von Novogord Sjewersk ernannt.«
»Novogord was? Wo, um Himmels willen, liegt das denn?«
»Irgendwo im Osten an der Grenze zu den Moskowitern. Frag mich bitte nicht genau«, lacht Ulrich, »ich weiß es selber nicht und war nie dort. Aber der Titel ist höchst ehrenvoll – und die Einkünfte sind durchaus bemerkenswert. Aber komm, die Familie wartet.«
In dem mit bunter Ledertapete bespannten, von einer mächtigen, mit geschnitzten Stühlen umstandenen Tafel aus poliertem Kirschholz beherrschten Speiseraum knistert bereits ein gemütliches Feuer im Kamin, schimmern Dutzende von Kerzen auf der Tafel, die von einem Troß an Dienstboten mit dampfenden Schüsseln, Platten und Terrinen beladen wird.
»Meine Frau Jadwiga und meine Töchter Maria, Ludwika und Królowa«, stellt Ulrich sichtlich stolz vor.
Frau Jadwiga ist eine kleine, füllige, doch wendige Frau mit streng nach hinten gekämmten Haaren und der zwitschernden Stimme einer Drossel. Während ich ihr die Hand und dann die Wangen küsse, ergießt sich ein wahrer Strom an Worten über mich, von denen ich nicht ein einziges verstehe, doch der Ton ist so herzlich, daß kein Zweifel am Sinn entstehen kann. So begnügt sich Ulrich auch mit der Bemerkung, seine Frau heiße mich von ganzem Herzen willkommen, was sogleich eine nächste Wortkaskade auslöst.
»Verzeih«, erklärt mein Bruder fröhlich, »Jadwiga hat den Verdacht, ich hätte nicht wörtlich übersetzt … Sie spricht
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