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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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Silber der gottgefälligen Fugger. Nur Ihr allein seid noch übrig!«
    Peng … peng … peng … peng … , traktiert der Judenhammer den Richtertisch.
    »Der Vertrag, Ankläger, und nach nichts anderem als nach dem Vertrag ist zu fragen! Solltet Ihr meine Anweisungen weiterhin übergehen, werde ich Euch von Eurem Amt entheben. Bringt die Wahrheit an den Tag. Findet den Vertrag!« keilte Reisländer zornig dazwischen.
    »Es gibt keinen Vertrag!« verneinte Leoman trotzig.
    »Doch es gibt ihn! Es muß ihn geben! Forscht nach ihm!« antwortet Reisländer das zweite Mal, und an Dreyling gerichtet:
    »Was sagtet Ihr? Ihr hattet den Vertrag bei Euch?«

2
Der Herr auf Büchsenhausen

    Innsbruck
1574



Donnerstag,
der 29. April
    Ich wandere die Landstraße entlang.
    Irgendwann bemerke ich, daß ich die Richtung Innsbruck eingeschlagen habe, jenen Weg, den ich noch gestern abend – war es tatsächlich erst gestern gewesen – wie ein Sieger heimgezogen bin.
    Heute torkele ich die Straße entlang wie ein Verfluchter …
    Gestern hatte ich alles gehabt, was ich mir wünschen mochte - heute habe ich nichts, nichts mehr – habe alles verloren: meine Frau, mein Kind, meine Arbeit, meine Zukunft …
    Weshalb lebe ich noch?
    Weshalb hat mich das Schicksal im Berg verschont?
    Weshalb hat es mich nicht erschlagen, ersäuft wie die anderen?
    Hat es mich aufgespart, um erst meine Seele zu zerschmettern, ehe ihm auch mein Leben anheimfällt?
    Zu meiner Rechten rauschen die grüngrauen Wasser des Inns. Ich muß nur ein paar Schritte gehen – mich in die Fluten werfen – mich fortreißen lassen …
    Ein Schauder durchfährt mich.
    Wasser!
    Die Bilder aus dem Raber wirbeln hoch …
    Wasser. Nie, nie wieder im Leben Wasser! Nicht im Leben und nicht im Sterben!
    Ich verlasse die Straße, gehe einige Schritte über ein Stück Wiese. Eine einzelne riesige Fichte steht dort. Wild, zerzaust, ein Baum, den die Jahre des Lebens, Stürme und Schnee, Sonnenglut und Regen und Blitzschlag gezeichnet haben. Doch er steht, dieser Baum!
    Ich setze mich zu seinen Füßen nieder, lehne mich an seinen Stamm, berühre mit der Hand seine rauhe, zerklüftete Rinde, spüre die Kraft, die von ihm ausgeht …
    »Bruder Baum … Was hast du empfunden, als die tosenden Schmelzwasser deine Wurzeln zu unterwaschen drohten? Als die Stürme dich niederbrechen wollten? Als der Blitz wie die Lohe des Jüngsten Gerichtes dich umflammte?
    Du hast alles überstanden, doch hüte dich vor dem Menschen mit seiner Axt! Hüte dich vor ihm, Bruder Baum! Er ist schlimmer als alle Stürme, Wasser und Blitze zusammen.«
    Mein Blick gleitet über die mächtigen Wurzeln, zwischen denen ich sitze, ehe sie sich im Erdreich verlieren.
    »Ja, Bruder Baum. Du hast dich festgehalten mit deinen Wurzeln. Breitgefächert verlaufen sie in die Erde, umklammern die Felsen unter dir, geben dir Halt und Sicherheit …
    Auch Menschen brauchen Wurzeln! Wurzeln, die eingeschlagen sind in ihre Familie, in ihre Zünfte, ihre Städte und Gemeinden, in ihre festgefügte Welt. In die dunklen Ackerschollen die Bauern, in das harte Gestein die Bergleute …
    Nur ich, Bruder Baum, ich habe keine Wurzeln mehr! Kannst du dir vorstellen, daß man keine Wurzeln mehr hat, daß sie abgetrennt, abgehackt sind?
    Und wie kann man ohne Wurzeln stehen? Man kann es nicht! Du nicht – und ich nicht! Ohne Wurzeln kann man nur eines noch: sterben. Soll ich mich an deinen Ästen erhängen?
    Ein Bauer mag sich erhängen. Nicht ein Dreyling zu Wagrain!
    Vergiften? Ich habe kein Gift und ich verabscheue Gift als Waffe der Feiglinge.
    Erstechen?«
    Mein Blick fällt auf mein Bündel.
    Obenauf hängt das Raufeisen.
    Eigentlich ist es ein Linkhand-Dolch, mit seiner gut eine Elle messenden Klinge ungewöhnlich lang, wenn auch ein gutes Stück kürzer als Schwert, Degen oder Rapier. Beim Tod meines Vaters waren seine geliebten und gepflegten Waffen unter seine Söhne verteilt worden: Das Schwert hatte natürlich Ulrich als der Älteste erhalten, mir als Zweitem war der lange Linkhanddolch zugefallen, Johann hatte den kurzen Dolch, Kaspar das Messer erhalten.
    Ich ziehe die Klinge aus der Scheide. Gefäß, Parierstange, Faustbügel und Knauf sind aus vergoldetem Stahl, eine hervorragende Arbeit aus Mailänder Waffenschmieden, das Griffholz mit lederumwickeltem schwarzem Samt überzogen. Das Besondere freilich ist die Klinge: schlank, federnd, scharf wie ein Rasiermesser. Auf ihrer Fehlschärfe ist mit Golddraht ein rennender

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