Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
nächsten Augenblick knie ich neben ihr.
»Maria. Maria!«
Ihr Augen starren blicklos an mir vorbei.
Die Männer eilen die Treppe herab.
»Das … das haben wir nicht … nicht gewollt«, stammelt Martin Posch.
»Raus!« brülle ich. »Raus mit Euch allen!«
Die Männer flüchten. Mornauer zerrt Posch hinter sich drein.
»Ruft den Bruder Severin, den Arzt vom Kloster. Schnell!« schreie ich ihnen nach.
Dann knie ich auf dem Boden – halte meine Frau in den Armen.
Ewigkeiten später sind dann Bruder Severin und Pater Conrad da.
Sie bemühen sich um Maria.
Dann drückt Pater Conrad mit einer entsetzlich endgültigen Handbewegung ihre gebrochenen Augen zu.
Der abgewinkelten Kopf, die blicklosen Augen. Maria hatte sich beim Sturz das Genick gebrochen. Mein Gott! Warum gerade sie? Warum? Warum? Warum!
Ich trage Maria hinauf in unsere Stube. Lege sie behutsam auf das Bett wie ein schlafendes Kind.
Ich lasse meinen Tränen freien Lauf.
Pater Conrad betet leise: »Herr, gib ihr den ewigen Frieden, und Dein ewiges Licht leuchte ihr.«
»Du mußt fort!«
Ich begreife nicht.
Eine Hand zerrt an meinem Ärmel. Ich wende mich um. Vor mir steht meine Stiefmutter:
»Du mußt fort, Adam! Im Augenblick ist die Bande erschrocken geflüchtet. Aber die kommen wieder. Und dann schlagen sie im Haus alles kurz und klein. Und was sie nicht zertrümmern, das werden sie stehlen, die kostbaren alten Möbel, die Bilder, das Silber.«
»Warum soll gerade ich das Haus meines Vaters verlassen? Es war Mord!«
Pater Conrad tritt nah an mich heran:
»Ein Unglück, Adam, ein Unglück!«
»Mord ist es. Und ich werde die Mörder vor Gericht bringen!«
Pater Conrad umfängt mich mit beiden Armen:
»Es stinkt nach Aufruhr! Lasse dich nicht hineinziehen. Du wirst dein Recht erst bekommen, wenn deutlich wird, daß du ab heute die Wahnsinnigen, die sich offen gegen das Land zu stellen beginnen, nicht mehr unterstützt. Sie suchen einen Sündenbock. Du darfst ihn keinesfalls abgeben!«
Mit seinen Armen klammert sich Pater Conrad an meinen Ärmeln fest.
»Nur so wird dir und deiner Frau Gerechtigkeit widerfahren. Bei allen Heiligen und Gott: Ich schwöre, daß ich deine gerechte Sache zu jeder Zeit an jedem Ort mittragen werde! Jetzt aber fürchten wir um dein Leben!«
»Ich helfe dir« drängt Frau Regina. »Nimm nur mit, was du unbedingt brauchst. Alles andere kann ich dir nachschicken lassen.«
Frau Regina reicht mir einen Zwerchsack.
Wie in einem bösen Traum öffne ich die Truhe und das Geheimfach, werfe Geld, das Buch von Agricola, die Dokumente, mein Tagebuch in den Ranzen. Auf dem Tisch liegt immer noch der vom Erzherzog gesiegelte Vertrag mit den Knappen. Ich stopfe ihn dazu. Mögen die Mörder doch sehen, wie sie ohne ihn zurechtkommen.
»Wohin? Wo soll ich hin, Pater Conrad?«
»Folge doch Ulrich nach Böhmen!« antwortet Frau Regina schnell.
»Zu weit für den Augenblick«, winkt Pater Conrad ab.
»Wohin dann?«
»Warum nicht nach Innsbruck?« schlägt meine Stiefmutter vor. »Für ein paar Tage würde dich vielleicht sogar mein Bruder Hans Christoph aufnehmen. Er hat großen Einfluß am Hof. Außerdem habt ihr euch doch immer gut verstanden. Versuch es auf jeden Fall erst dort, bevor du dich anders entscheidest.«
Wenig später schlurfe ich mit schweren Schritten die Straße nach Innsbruck entlang. Pater Conrad hatte mich durch das Kloster ungesehen aus der Stadt gebracht.
Und ich schwöre mit geballter Faust: Ich werde zurückkommen nach Schwaz.
Das Berggericht
Schwaz
1590
Sonntag,
der 4. Februar, 10.50 Uhr
… ja, er war zurückgekommen. Doch er hatte die letzten Jahre nie an eine Heimkehr nach Schwaz gedacht. Sein Glück hatte er zuletzt in Krakau vermutet. Hier in die Bergwerksstadt zog es ihn nie.
Diejenigen, die ihn gewaltsam zur Rückkehr gezwungen hatten, triumphierten in jener Stunde. Die Verleumdung wetteiferte mit der Rache, die langsam greifend zum Sieg über Dreyling fuhren sollte - bis ins Grab hinein.
Die gefährlich vergifteten Köder waren reichlich ausgelegt an diesem geweihten Ort. Ein verlockendes Fressen, gedacht für die Geschworenen.
Die Ansammlung der Köpfe um mich herum sind Euch, Sir Francis, gut bekannt. Meine ausführlichen Dossiers über die hohen Herren, angefertigt vor gut 13 Jahren, liegen Euch in London vor.
Manch einer von ihnen dachte eher an eine Komödie, die um Anerkennung beim Publikum betteln mußte, wobei noch völlig offen war, ob am Ende geklatscht oder
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