Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
der maximilianischen Büchsenmeister den Würmern übergeben war, ließ unser Erzherzog, zum Trost der Witwe, verbunden mit dem größten Eigennutz, die Söhne auf seine Kosten zu Gießern ausbilden. Damals bahnte sich eine üble Sache an, die mein Vater Gregor mit viel Geschick vereiteln konnte. Er war unter seinen vier Brüdern der begabteste, denn mein Großvater Peter goß mit ihm 1510 die Uhrglocke für die Schwazer Pfarrkirche.«
»Die Turmglocke, die Maximiliana, stammt doch auch von deinem Großvater?«
»Richtig, das war aber acht Jahre vorher; du hast sie wohl oft gehört.«
»Einmal zu oft!«
Hans Christoph ist inzwischen auf seinem bequemen Stuhl tiefer und tiefer gerutscht, was ihn nötigt, sich mit einem Ruck wieder aufrecht hinzusetzen.
»Was bahnte sich damals zwischen deinem Vater und den Burgundier-Söhnen an?« nehme ich den Faden wieder auf.
»Also, Ulrich ging, soviel ich noch weiß, 1528 nach Wien zu Hans Türing in die Lehre, und Hannibal sollte 1537 bei meinem Vater seine Lehrzeit vollenden. Mein Vater war mit 20 Jahren bereits ausgebildeter Büchsenmeister und Gießer, so daß der Kaiser sich gezwungen sah, ihn in seinen Dienst zu nehmen, damit er nicht abgeworben wurde. 1522 übernahm er schon allein die Werkstatt meines Großvaters, der inzwischen seine Gesundheit drangegeben hatte.
In dieser Zeit kamen Angebote aus Trient und Augsburg. Wie er mir oft erzählte, wollte er immer in seinem geliebten Tirol bleiben, forderte aber 100 Gulden Sold, wie damals der Vater von Hannibal. Nur, mein alter Herr war allemal besser als dieser Gießer aus dem habsburgischen Burgund. In Trient sollte er für einen Hungerlohn von 40 Gulden gießen, dagegen stand das angemessene Angebot aus Augsburg. Ein zehnjähriger Vertrag mit 80 Gulden Sold, 50 Gulden Haussteuer und gutem Gießerlohn! Der Aderlaß auf den Schlachtfeldern, aber auch der Mangel an handwerklichem Geschick der anderen Gießer bescherte seit dem Tod Kaiser Maximilians meinem Vater glänzende Bedingungen.
Nur Erzherzog Ferdinand I., unser damals regierender Landesfürst, hat genau zu dieser Zeit keinen Gedanken an Krieg und Rüstung verschwendet. Nein, er war ganz verliebt in die von Maximilian vererbten Kleinodien des Hausschatzes und deren Registrierung. Noch mehr beschäftigte Ferdinand die korrekte Wiedergabe all seiner Titel, die er exakt auf den neuen Münzen prangen sehen wollte.
So kam es, daß der Feldzeugmeister Michel Ott meinen Vater 1524 in den Dienst der Stadt Augsburg treten lassen mußte. Der wahre Grund aber war der ausbleibende Gießerlohn, die der Innsbrucker Hof ihm und sogar noch meinen Großvater von früheren Arbeiten her schuldeten.
Das war einer der größten Fehler Ferdinands. Als ihm nämlich 1525 der Bauernkrieg den Arsch ansengte, befand er sich zu recht in schwerer Not.
Mein Vater jedoch zeigte es ihnen. Auf den Knien kamen sie herangekrochen. Im selben Jahr bestellte ihn der Imperator Carolus V . persönlich für 80 Gulden zu seinem Büchsenmeister.«
»Kaiser Karl selber hat ihn dazu aufgefordert?«
»Aufgefordert ist nicht ganz richtig. Bestellt, mein Bub, bestellt! In diesem Fall ist bestellt gleichzusetzen mit gebeten …«
Hans Christophs Augen, die schon während seiner Erzählungen strahlten, begannen nun wahrhaftig zu leuchten:
»Jedoch: Mein Vater lehnte die Bestellung glatt ab! Und nannte deutlich die Versäumnisse der Innsbrucker Hofschranzen:
› … weil er verheiratet sei, bisher keinen Lohn erhalten habe, während des Krieges im Felde weder mitschießen noch dienen kann und mag …‹
Mein lieber Adam. Nur ein Löffler kann sich das leisten!
Damit hat er zugleich Karl V. und Ferdinand I. den Schwachsinn ausgetrieben, Büchsenmeister und Gießer auf dem Schlachtfeld weiterhin einzusetzen. Wurden sie getötet, war auch die Geschützproduktion eingestellt. Eine Situation, die selbst der Kaiser nicht begriffen hatte. Die Macht läßt bei den Mächtigen den Verstand wahrlich verkümmern.
Das war aber noch nicht alles: Ab da hat mein alter Herr erst richtig gefordert. Er schrieb dem Erzherzog, ob er nicht bald den zugesagten Garten drüben am Fallbach rausgeben wollte. Die Zeilen müssen in Ferdinands Kopf gedröhnt haben, denn auch auf die Verweigerung des Felddienstes wußte der Erzherzog keine rechte Antwort. Mein Vater blieb bis 1540 in Augsburg. Selbst der Tod meines Großvaters im Jahre 1530 konnte Gregor nicht zur Übernahme und zur Rückkehr nach Innsbruck bewegen …
Sogar der
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