Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
kann. Die ganze Entwicklung, bis in unsere Zeit hinein, könnte ich dir darlegen. Ich würde aber auch sofort merken, wenn mir einer Flausen vormachen würde.«
»Na gut, aber was nun weiter? Wie soll ich dich zum vertrauenswürdigen Beichtvater machen?«
»Ganz einfach. Fang an zu erzählen. Wie hat es dein Vater Gregor geschafft, das Beste an Kanonen zu liefern, mit dem die Kaiser und Könige des habsburgischen Weltreiches das letzte halbe Jahrhundert geschossen haben?«
»Das ist keine Kleinigkeit, was du verlangst.«
»Kleinigkeit oder nicht, unseren Plan soll ich ausführen. Dies erfolgreich zu bewerkstelligen ist momentan noch deine Sache. Der Verräter in deinen Mauern soll doch möglichst bald auf dem Richtblock landen!«
»Um diese Stunde. Du machst es einem wahrlich nicht leicht! Also, wo fang ich an?
Mein Vater war ganz anders. Er wurde immer jähzornig, wenn ich seine Anweisungen bei der Arbeit nicht genau befolgte, dabei war er keinesfalls kalt und abweisend. Nur bei der Arbeit, da hat er sich immer verwandelt. Seine Gedanken und sein Wesen erstarrten wie die Schmelze von Zinn und Kupfer in den Formen – als ob er selbst in die Grube hinein ausgelaufen wäre. Er war besessen von der Idee, Geschütze zu schaffen, die jederzeit auf Feldzügen mitgenommen werden konnten. Verteidigung mit schweren, unbeweglichen Geschützen hielt er für eine untaugliche Kampfführung. Der von ihm gegossene Geschützpark für die Zeughäuser verlieh den kaiserlichen Heeren im Kampf um das habsburgische Imperium die überlegene Feuerkraft. Davor, genau vor 74 Jahren, als Kaiser Maximilian begann, den Geschützguß hier in Innsbruck aufzubauen, waren Gießer am Werk, deren Namen ein Löffler nur vergessen kann …«; dabei macht er eine abfällige Handbewegung, als ob ihm allein der Gedanke daran Schmerzen im Kopf verursacht.
»Dennoch sollte ich sie zumindest kennen, Onkel.«
»Nur sehr, sehr ungern, mein Bub. Am gescheitesten ist es, du vergißt sie gleich wieder. Einige waren drauf und dran etwas zu werden, andere wiederum haben nur nachgegossen, was schon einigermaßen erprobt war.
Da war um die Jahrhundertwende ein Hans Appenzeller, ein wahrer Versager, sag’ ich dir. Im oberen Gießhaus in Hötting wirkte etwa zur selben Zeit Alexander Endorfer und danach sein Sohn Jörg. Eine Gießerfamilie, die uns bis in unsere Zeit hinein nie etwas Aufregendes bieten konnte – außer zwei Söhnen auf dem jetzigen Heiratsmarkt. Alexander Nummer drei, ein noch lebendes Exemplar der einst berühmten Familie, ist nur noch ein Schatten seiner Väter und übt sich als Schreiberling unten in der Kanzlei. Immerhin gewann vor fünf Jahren sein Bruder Ludwig noch die 10. Preisfahne bei dem großen Freischießen zur Ehren Erzherzog Ferdinands. Alexander aber kann nicht einmal mehr die Hackenbüchse halten. Das ist übrig geblieben vom Endorfergeschlecht. Das Geld und die Bergwerksanteile ihrer Vorfahren sind das Beste an ihnen!
Da war noch einer: Hans Seelos, Liebling unseres Erzherzogs Sigmund. Ruht seit 1514 unten in der Michaelskapelle, die er sich selbst gestiftet hat. Er war schon ein wenig besser. Bemerkenswert ist seine Sammlung an Werkstätten zur damaligen Zeit. Aber was sollte Kaiser Maximilian auch machen, bei der geringen Auswahl an wahren Meistern. Seelos hatte wenigstens schon Hofstatt und Werkstatt am Höttinger Bach mit freiem Wasserbezug, die zudem vom Gerichtszwang befreit waren. Eine Mühle mit Hammer zum Büchsenbohren hat er sich gleichzeitig geschnappt. Aber die kaiserliche Pulvermühle an der Sill hätte ihm Maximilian nun wirklich nicht gleich auch noch nachwerfen müssen. Dafür ist er dem Kaiser noch als Büchsenmeister auf dem Schlachtfeld nachgelaufen und hat dabei sein Leben riskiert. Sein Bruder Jörg hat wenig Neues gebracht, ebenso wie Hans Schnee …
Namen, nur noch Namen, mein Bub, die auf Büchsenhausen und im ganzen Weltreich schon längst vergessen sind.
Ungewöhnlich aufregend bis traurig verlief das Leben der Gießerfamilie des Peter Burgundier und seinen beiden ältesten Söhnen Ulrich und Hannibal. Der Vater führte zwar den Titel Meister, übernahm die Werkstatt von Hans Schnee in Trient, belieferte auch das Zeughaus beim Etschtor mit Kanonen, dafür lief er seinem Sold - lächerliche 100 Gulden im Jahr – hinterher. Ehrenhalber durfte er auf dem Schlachtfeld im Kampf um Mailand 1528 als der »fromme wohlgeschickte Meister« mit weiteren 23 Büchsenmeistern verbluten.
Nachdem der letzte
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