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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Tür auf den Hof. Wieder die Schritte des Männleins. Merkwürdig! Er geht zurück in die Wohnung! Am Ende gehört er auch zu der Bande? Ja, er geht zurück. Jetzt wird oben wieder die Tür geöffnet. Na schön, warten wir noch ...
    Diesmal brauchte er nicht lange zu warten. Klapp — die Tür. Schritte. Die Schritte verstummen. Ein verzweifelter Schrei.
    Eine Katze miaut. Die Schritte, schnell, trommelnd — runter, runter, runter!
    Poplawskis Warten hatte sich gelohnt. Sich bekreuzigend und etwas murmelnd, sauste das traurige Männlein ohne Hut an ihm vorüber, mit irrem Gesichtsausdruck, zerkratzter Glatze und pitschnassen Hosen. Es zerrte an der Türklinke, da es in seiner Angst nicht merkte, ob sie sich nach außen oder nach innen öffnete, kam endlich mit ihr zu Rande und flog hinaus auf den sonnigen Hof.
    Die Überprüfung der Wohnung war vollzogen. Poplawski gedachte nicht mehr des verunglückten Neffen noch der Wohnung und fröstelte beim Gedanken an die Gefahr, in der er geschwebt hatte. Er flüsterte nur die beiden Wörter "Ich verstehe, ich verstehe!" vor sich hin und verließ das Haus. Wenige Minuten darauf trug ein Obus den Planungsökonomen in Richtung Kiewer Bahnhof davon.
    Während Poplawski in dem Kämmerchen gesessen hatte, war dem Männlein eine fatale Geschichte widerfahren. Das Männlein hatte die Kantine des Varietes unter sich und hieß Andrej Fokitsch Sokow. Während der kriminalistischen Untersuchung im Variete hatte er sich abseits gehalten, und es war nur aufgefallen, daß er noch trauriger aussah als sonst, überdies hatte er sich bei dem Boten Karpow erkundigt, wo der zugereiste Magier abgestiegen sei.
    Also, nachdem sich der Kantinenwirt auf dem Treppenabsatz von dem Planungsökonomen getrennt hatte, stieg er hinauf zum vierten Stock und läutete an der Tür der Wohnung Nr. 50. Ihm wurde sofort geöffnet, aber der Kantinenwirt fuhr zurück und zögerte einzutreten. Das war verständlich. Geöffnet hatte ihm eine Frau, die nichts anhatte, außer einer koketten Spitzenschürze und einem weißen Häubchen. Ach ja, an den Füßen trug sie goldene Schuhchen. Ihre Figur war makellos, und eine rote Narbe an ihrem Hals war der einzige Defekt an ihrem Äußeren.
    "Nun kommen Sie doch rein, wenn Sie schon geklingelt haben", sagte die Frau und starrte den Kantinenwirt mit grünen verderbten Augen an.
    Andrej Fokitsch ächzte, zwinkerte verlegen und trat in die Diele, wobei er den Hut abnahm. In diesem Moment läutete das Telefon. Das sittenlose Zimmermädchen stellte den einen Fuß auf den Stuhl, nahm den Hörer ab und rief: "Hallo!"
    Der Kantinenwirt wußte nicht, wo er seine Augen lassen sollte. Er trat von einem Bein aufs andere und dachte: Donnerwetter, hat der Ausländer ein Zimmermädchen! Pfui, ist das widerwärtig! Um die Widerwart nicht mehr zu sehen, ließ er die Blicke verstohlen nach rechts und links schweifen. Die große und halbdunkle Diele war vollgestopft mit ungewöhnlichen Gegenständen und Kleidungsstücken. So hing über der Stuhllehne ein hingeworfener Trauermantel, feuerrot gefüttert, und auf der Spiegelkonsole lag ein langer Degen mit goldfunkelndem Griff. Drei Degen mit Silbergriffen lehnten so selbstverständlich in der Ecke, als wären es Schirme oder Spazierstöcke. Auf einem Hirschgeweih hingen Barette mit Adlerfedern. ,Ja", sagte das Zimmermädchen ins Telefon. "Wie? Baron Maigel? Ich höre. Ja. Der Herr Artist ist heut zu Hause. Ja, er wird sich freuen, Sie zu sehen. Ja, Gäste ... Frack oder schwarzes Jak-kett. Was? Gegen Mitternacht." Das Zimmermädchen beendete das Gespräch, legte den Hörer auf und wandte sich an den Kantinenwirt:
    "Was wünschen Sie?"
    "Ich muß unbedingt den Bürger Artist sprechen."
    "Wie? Ihn persönlich?"
    ,Ja", antwortete der Kantinenwirt traurig.
    "Ich werde fragen", sagte das Zimmermädchen sichtlich zaudernd, öffnete die Tür zum Arbeitszimmer des verstorbenen Berlioz und meldete: "Ritter, hier ist ein kleiner Mann, der will den Messere sprechen."
    "Soll reingehen", tönte aus dem Arbeitszimmer die brüchige Stimme von Korowjew.
    "Gehen Sie in den Salon", sagte die Frau so selbstverständlich, als wäre sie vernünftig angezogen, öffnete die Tür zum Salon und entfernte sich.
    Der Kantinenwirt betrat den Salon und vergaß sofort, was er hier wollte, so sehr verblüffte ihn die Ausstattung des Raumes. Durch die farbigen Scheiben der großen Fenster (ein Einfall der spurlos verschwundenen Juwelierswitwe) flutete kirchenartiges Licht

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