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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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hinunter, das Kätzchen fiel von seinem Kopf und flitzte nach oben.
    Unten angelangt, lief der Kantinenwirt im Trab zum Tor und verließ für immer das verhexte Haus Nr. 302 b. Wir wissen genau, was weiter mit ihm geschah. Nachdem er durch den Torweg auf die Straße gelaufen war, blickte er sich wild um, als suche er etwas. Gleich darauf betrat er auf der anderen Straßenseite eine Apotheke.
    "Sagen Sie bitte ...", begann er, doch die Frau hinterm Ladentisch fiel ihm ins Wort:
    "Sie haben ja einen ganz zerkratzten Kopf, Bürger!" Fünf Minuten später war der Kantinenwirt in Mull gewickelt und hatte erfahren, daß die besten Spezialisten für Lebererkrankungen die Professoren Bernadski und Kusmin seien. Er fragte, zu welchem es näher sei, erglühte vor Freude, als er hörte, Kusmin wohne buchstäblich über den Hof, und stand gleich darauf in der kleinen weißen Villa.
    Der Vorraum war altertümlich, aber urgemütlich. Dem Kantinenwirt prägte sich ein, daß er als erstes an eine greise Beschließerin geriet, die ihm den Hut abnehmen wollte und, da er keinen aufhatte, mit leerem Munde mümmelnd wieder hinausging. Dafür erschien unter einer Art Türbogen neben dem Spiegel eine Frau in mittleren Jahren und sagte sofort, sie könne ihn frühestens für den Neunzehnten eintragen. Der Kantinenwirt erkannte, wo seine Rettung lag. Mit erlöschendem Blick sah er durch den Türbogen, wo im Wartezimmer drei Personen saßen, und flüsterte: "Ich bin todkrank ..."
    Die Frau blickte unsicher auf den verbundenen Kopf des Kantinenwirts, sagte zögernd: "Wenn's so ist. .." und ließ ihn eintreten.
    Im selben Moment öffnete sich die gegenüberliegende Tür, ein goldgefaßter Zwicker blinkte.
    "Bürger, dieser Kranke kommt außer der Reihe", sagte die Frau im Kittel.
    Ehe sich's der Kantinenwirt versah, stand er bereits im Sprechzimmer von Professor Kusmin. In dem langgestreckten Raum war nichts, was Furcht einflößte, feierlich wirkte oder an die Medizin erinnerte.
    "Was haben Sie für Beschwerden?" fragte Professor Kusmin mit angenehmer Stimme und musterte ein wenig beunruhigt den verbundenen Kopf.
    "Ich habe soeben aus zuverlässiger Quelle erfahren", antwortete der Kantinenwirt und blickte gehetzt auf eine verglaste Gruppenaufnahme, "daß ich im Februar nächsten Jahres an Leberkrebs sterben werde. Ich flehe Sie an, tun Sie was dagegen!"
    Professor Kusmin lehnte sich in dem hohen gotischen Ledersessel zurück.
    "Entschuldigen Sie, ich verstehe nicht... Waren Sie bei einem Arzt? Warum ist Ihr Kopf verbunden?"
    "Der und Arzt... Sie hätten ihn mal sehen sollen, diesen Arzt", antwortete der Kantinenwirt und klapperte plötzlich mit den Zähnen. "Achten Sie nicht auf den Kopf, der ist schnurz, hat damit nichts zu tun ... Ich hab Leberkrebs, bitte helfen Sie mir!" "Aber gestatten Sie, wer hat Ihnen das gesagt?" "Glauben Sie ihm!" bat der Kantinenwirt leidenschaftlich. "Er weiß es!"
    "Ich verstehe das nicht!" sagte der Professor achselzuckend und rutschte mit dem Sessel zurück. "Wie kann er wissen, wann Sie sterben? Zumal er kein Arzt ist!"
    "Im Zimmer vier der Universitätsklinik", antwortete der Kantinenwirt.
    Der Professor betrachtete seinen Patienten, den verbundenen Kopf, die nassen Hosen und dachte: Das hat mir gerade noch gefehlt, ein Verrückter! "Trinken Sie?" fragte er.
    "Ich habe niemals Schnaps angerührt", antwortete der Kantinenwirt.
    Gleich darauf lag er nackt auf einem kalten Wachstuchsofa, und der Professor knetete ihm den Bauch. Danach, ich muß es sagen, wurde der Kantinenwirt wieder sehr vergnügt. Der Professor versicherte entschieden, zumindest gegenwärtig gebe es nicht die leisesten Anzeichen für Krebs beim Kantinenwirt, aber da dieser Befürchtungen hege und irgendein Scharlatan ihm einen Schreck eingejagt habe, müsse man genaue Analysen anfertigen ... Der Professor kritzelte etwas aufs Papier und erklärte dem Kantinenwirt, wo er hingehen und was er mitnehmen müsse. Außerdem gab er ihm einen Brief an den Neuropatholo-gen Professor Bure mit und sagte ihm, seine Nerven seien völlig zerrüttet.
    "Wieviel hab ich zu zahlen, Professor?" fragte der Kantinenwirt mit zarter, zitternder Stimme und holte eine dicke Brieftasche hervor.
    "Nach Belieben", antwortete der Professor kurz und trocken.
    Der Kantinenwirt nahm dreißig Rubel heraus und legte sie auf den Tisch, dann stellte er plötzlich mit weicher Bewegung, als wäre seine Hand ein Katzenpfötchen, ein in Zeitungspapier gewickeltes klirrendes Säulchen

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