Der Meister und Margarita
Gesicht nahm einen ruhigen Ausdruck an.
"Nun, jetzt ist alles klar", sagte Voland und klopfte mit langem Finger auf das Manuskript.
"Völlig klar", bestätigte der Kater, der sein Versprechen, eine schweigsame Halluzination zu sein, vergessen hatte, "ich habe die Hauptlinie dieses Opus genau begriffen. Was meinst du?" wandte er sich an den schweigenden Asasello. "Ich meine", näselte dieser, "es wäre gut, dich zu ersäufen." "Erbarm dich, Asasello", antwortete ihm der Kater, "bring meinen Gebieter bloß nicht auf diesen Gedanken. Glaub mir, ich würde dir allnächtlich in genau so einem Mondgewand erscheinen, wie es der arme Meister trägt, ich würde dir zunik-ken und dir winken, mir zu folgen. Wie würde dir das gefallen, Asasello?"
"So, Margarita", trat Voland wieder ins Gespräch, "nun sagt mir, was Ihr auf dem Herzen habt."
Margaritas Augen leuchteten auf, und sie wandte sich flehend an Voland: "Darf ich mal mit ihm flüstern?" Voland nickte, und Margarita beugte sich zum Ohr des Meisters und raunte ihm etwas zu. Man hörte, wie er antwortete: "Nein, es ist zu spät. Ich will im Leben nichts weiter als bei dir sein. Aber ich rate dir erneut, verlaß mich, denn mit mir gehst du zugrunde."
"Nein, ich verlasse dich nicht", antwortete Margarita und wandte sich Voland zu: "Bitte lassen Sie uns in den Keller in der Arbat-Seitengasse zurückkehren, und die Lampe soll brennen, und alles soll so sein wie früher."
Da brach der Meister in Gelächter aus, umfaßte den zerzausten Kopf Margaritas und sagte:
"Ach, hören Sie nicht auf die arme Frau, Messere! In diesem Keller wohnt seit langem ein anderer, und das gibt es auch gar nicht, daß alles so wie früher wird." Er schmiegte die Wange an den Kopf seiner Gefährtin, umarmte sie und murmelte: "Du Arme ... du Arme ..."
"Das gibt es nicht, sagt Ihr?" versetzte Voland. "Stimmt. Aber wir versuchend." Und er rief: "Asasello!"
Im selben Moment kam ein völlig verstörter und dem Wahnsinn naher Mann von der Zimmerdecke gestürzt. Er war in Unterwäsche, hatte aber einen Koffer in der Hand und eine Schiebermütze auf dem Kopf. Schlotternd vor Angst, kauerte er sich nieder.
"Mogarytsch?" fragte Asasello den Ankömmling. "Aloisi Mogarytsch", antwortete der Mann zitternd. "Sie haben damals den Artikel von Latunski über den Roman dieses Mannes hier gelesen und daraufhin eine Anzeige geschrieben, daß er illegale Literatur bei sich aufbewahrt?" fragte Asasello.
Der Mann lief blau an und zerfloß in Reuetränen. "Sie wollten in seine Wohnung ziehen?" näselte Asasello möglichst herzlich.
Im Zimmer ertönte ein Zischen wie von einer wütenden Katze, Margarita heulte:,Jetzt sollst du eine Hexe kennenlernen!" und krallte Aloisi Mogarytsch die Nägel ins Gesicht. Es kam zu einem Tumult.
"Was tust du?" rief der Meister mit Leidensmiene. "Schäm dich, Margot!" .
"Ich protestiere! Sie braucht sich nicht zu schämen!" brüllte der Kater.
Korowjew zog Margarita weg.
"Ich hab ein Bad eingebaut", brüllte der blutende Mogarytsch zähneklappernd und wirr vor Entsetzen, "allein schon das Tünchen ... die Farbe . .."
"Sehr schön, daß Sie ein Bad eingebaut haben", sagte Asasello beifallig, "er muß Bäder nehmen." Dann schrie er: "Raus!" Da kehrte es Mogarytsch mit den Beinen zuoberst und wehte ihn durchs offene Fenster hinaus. Der Meister riß die Augen auf und flüsterte: "Aber das ist ja noch ein stärkeres Stück als das, was Iwan mir erzählte!" Erschüttert blickte er sich um und sagte dann zum Kater: "Entschuldigen Sie, dann bist du . .. dann sind Sie .. ." Er stockte, ungewiß, wie er den Kater anreden sollte. "Dann sind Sie der Kater, der in die Straßenbahn gestiegen ist?" ,Jawohl!" bestätigte der Kater geschmeichelt und fügte hinzu: "Es tut wohl, daß Sie einen Kater so höflich behandeln. Kater werden aus irgendwelchen Gründen gewöhnlich mit du angeredet, obwohl noch niemals ein Kater mit irgendwem Brüderschaft getrunken hat."
"Ich glaube, Sie sind irgendwie kein richtiger Kater", antwortete der Meister unschlüssig, dann fügte er, an Voland gewendet, zaghaft hinzu: "Man wird mich im Krankenhaus vermissen."
"Ach was, keine Sorge!" beruhigte ihn Korowjew, der plötzlich allerlei Bücher und Papiere in der Hand hielt. "Ist das Ihre Krankengeschichte?"
"Ja."
Korowjew warf sie ins Kaminfeuer.
"Kein Dokument, kein Mensch", sagte er zufrieden. "Und dies ist das Hausbuch Ihres Vermieters?"
"Ja . . ."
"Wer ist da eingetragen? Aloisi Mogarytsch?" Korowjew
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