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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Blicke und schrie: "Wer hat das getan?"
    "Sei nicht eifersüchtig", antwortete Pilatus zähnefletschend und rieb sich die Hände, "ich fürchte, er hatte noch andere Anhänger außer dir."
    "Wer hat das getan?" wiederholte Levi flüsternd. "Ich", antwortete Pilatus ihm.
    Levi riß den Mund auf und starrte den Prokurator an. "Es ist natürlich wenig, was ich getan habe", sagte Pilatus leise, "dennoch, ich habe es getan." Und er fügte hinzu: "Nun, nimmst du jetzt etwas von mir an?"
    Levi dachte nach, sein Gesicht wurde weicher, und endlich sagte er:
    "Laß mir ein Stückchen Pergament geben." Eine Stunde verging. Levi war nicht mehr im Palast. Nur noch die leisen Schritte der Wachposten im Garten unterbrachen die Stille. Der Mond verfahlte rasch, am anderen Himmelsrand stand das helle Flecklein des Morgensterns. Die Leuchter waren längst erloschen. Auf dem Ruhebett lag der Prokurator. Die Hand unter der Wange, schlief er und atmete lautlos. Neben ihm schlief Banga.
    So begrüßte er den Morgen des fünfzehnten Nissan, der fünfte Prokurator von Judäa, Pontius Pilatus.
27 Das Ende der Wohnung Nr. 50
    Als Margarita die letzten Worte des Kapitels las — "So begrüßte er den Morgen des fünfzehnten Nissan, der fünfte Prokurator von Judäa, Pontius Pilatus" —, brach eben der Morgen an. Auf dem kleinen Hof hörte sie im Gezweig der Linde und der Silberweide die Spatzen vergnügt und aufgeregt morgendliche Zwiesprache halten.
    Margarita erhob sich vom Sessel, reckte sich und spürte erst jetzt, wie ihr ganzer Körper schmerzte und wie müde sie war. Interessant, zu erwähnen, daß ihre Seele völlig in Ordnung war. Ihre Gedanken liefen harmonisch, und es erschütterte sie nicht im geringsten, daß sie die Nacht auf übernatürliche Weise verbracht und am Ball beim Satan teilgenommen hatte, daß ihr der Meister durch ein Wunder wiedergegeben und der Roman aus der Asche auferstanden, daß alles im Keller in der Gasse beim alten und der Denunziant Aloisi Mogarytsch vertrieben war. Kurzum, die Bekanntschaft mit Voland hatte ihr seelisch keinerlei Abtrag getan. Alles war, als müßte es so sein. Sie ging ins Nebenzimmer, vergewisserte sich, daß der Meister tief und ruhig schlummerte, und löschte die überflüssige Tischlampe, dann streckte sie sich gegenüber auf dem kleinen Sofa aus, das mit einem alten zerrissenen Laken bedeckt war. Gleich darauf schlief sie schon, und Träume hatte sie an diesem Morgen nicht. Stumm lagen die Zimmer im Keller, stumm lag das kleine Häuschen, und in der öden Gasse war es still.
    Zur selben Zeit, das heißt am Samstag beim Morgengrauen, war in einer Moskauer Dienststelle eine ganze Etage wach, und ihre Fenster, die auf einen großen asphaltierten Platz gingen, den Spezialmaschinen langsam und brummend mit Bürsten säÜberten, strahlten in vollem Licht, das das Licht der aufgehenden Sonne zerschnitt.
    Die Etage war beschäftigt mit dem Fall Voland, und in Dutzenden Arbeitsräumen hatten die Nacht über die Lampen gebrannt.
    Eigentlich war der Fall schon seit gestern klar, seit dem Freitag, an dem das Variete wegen des Verschwindens der Administration und wegen der Schweinereien während der denkwürdigen Vorstellung in Schwarzer Magie hatte geschlossen werden müssen.
    Aber die schlaflose Etage erhielt ununterbrochen neues Material.
    Jetzt mußte die Behörde, die diesen seltsamen Fall untersuchte, der deutlich nach Teufelsspuk mit einer Beimischung von Hypnosetricks und eindeutigem Verbrechen roch, die mannigfachen und wirren Ereignisse, die sich an verschiedenen Stellen von Moskau zugetragen hatten, vergleichen und in Zusammenhang bringen.
    Der erste, der die hell erleuchtete schlaflose Etage aufsuchte, war Arkadi Apollonowitsch Semplejarow, Vorsitzender der Akustischen Kommission.
    Am Freitag nach dem Mittagessen klingelte in seiner Wohnung an der Kamenny-Brücke das Telefon, und eine Männerstimme verlangte Semplejarow zu sprechen. Dessen Gattin, die den Hörer abgenommen hatte, entgegnete mißmutig, ihr Mann sei krank, ruhe jetzt und könne nicht ans Telefon kommen. Er müsse kommen, hieß es. Auf die Frage, wer ihn zu sprechen wünsche, gab die Stimme eine sehr kurze Antwort. "Sofort, eine Sekunde", lispelte die sonst sehr hochmütige Gattin des Vorsitzenden der Akustischen Kommission und sauste pfeilgeschwind in? Schlafzimmer, um Semplejarow aus dem Bett zu holen, in dem dieser höllische Qualen durchlitt bei der Erinnerung an die gestrige Vorstellung und an den nächtlichen

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