Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
gewisse Unruhe wollte den Varietedirektor nicht verlassen. Im gestrigen Tag klaffte nämlich ein riesiges schwarzes Loch. Diesen Unbekannten mit Baskenmütze, bitte schön, hatte Stjopa gestern in seinem Arbeitszimmer ganz bestimmt nicht gesehen.
    "Voland, Professor für Schwarze Magie", stellte sich der Besucher gewichtig vor, als er Stjopa grübeln sah, dann erzählte er der Reihe nach.
    Er sei gestern aus dem Ausland in Moskau eingetroffen, habe unverzüglich Stjopa aufgesucht und ihm ein Gastspiel im Varietetheater angetragen. Stjopa habe die Moskauer Gebietstheaterkommission angerufen und die Frage abgestimmt (Stjopa klapperte erbleichend mit den Augen), dann habe er mit ihm, Professor Voland, einen Vertrag über sieben Auftritte abgeschlossen (Stjopa riß den Mund auf), ferner sei vereinbart worden, daß Voland ihn heute morgen um zehn aufsuchen solle, um noch ein paar Einzelheiten zu besprechen. Darum sei er nun gekommen. Beim Eintreten habe er das Hausmädchen Grunja getroffen, die ihm sagte, sie sei auch eben erst gekommen, sie sei nur tagsüber da, und Berlioz sei nicht zu Hause, und wenn der Besucher Ste-pan Bogdanowitsch sehen wolle, möge er selber ins Schlafzimmer gehen. Stepan Bogdanowitsch schlafe so fest, daß sie sich nicht zutraue, ihn zu wecken. Als er, der Artist Voland, sah, in welchem Zustand Stepan Bogdanowitsch war, habe er Grunja in den nächsten Feinkostladen geschickt, um Wodka und Zuspeise zu holen, und in die Apotheke nach Eis und . . . "Was bin ich Ihnen denn schuldig?" fiepte der niedergeschmetterte Stjopa kläglich und suchte nach seiner Brieftasche. "Oh, lassen Sie doch den Unsinn!" rief der Artist und wollte nichts mehr davon wissen.
    Der Wodka und die Zuspeise waren somit erklärt, und doch bot Stjopa nach wie vor einen erbarmungswürdigen Anblick: Er konnte und konnte sich an den Vertrag nicht erinnern und hatte auch, und wenn man ihn totschlug, diesen Voland gestern nicht gesehen. Ja, Chustow war dagewesen, aber nicht Voland. "Darf ich den Vertrag einmal sehen?" bat Stjopa leise. "Aber, bitte bitte ..."
    Stjopa warf einen Blick auf das Papier und erstarrte. Es hatte alles seine Richtigkeit: da war Stjopas eigenhändiger verwegener Schnörkel, schräg an der Seite genehmigte der Finanzdirektor Rimski durch seine Gegenzeichnung, dem Artisten Voland'als Vorschuß auf die fünfunddreißigtausend Rubel für die sieben Auftritte zehntausend Rubel auszuzahlen. Mehr noch, da stand auch Volands Unterschrift, mit der er quittierte, die zehntausend erhalten zu haben!
    Was ist das bloß? dachte der unglückliche Stjopa, und vor seinen Augen drehte sich alles. Fingen denn schon die verhängnisvollen Gedächtnislücken an? Aber selbstverständlich wäre es jetzt nach Vorlage des Vertrags schlechtweg ungehörig, weiterhin Verwunderung zu äußern. Stjopa bat den Gast, sich für einen Moment entfernen zu dürfen, und rannte auf Socken in die Diele zum Telefon. Unterwegs schrie er in Richtung Küche: "Grunja!"
    Aber niemand antwortete. Stjopa warf einen Blick auf die Zimmertür von Berlioz, und da erstarrte er, wie es so schön heißt, zur Salzsäule. Am Türdrücker erblickte er eine Schnur mit einem gewaltigen Lacksiegel. Ach du Donner! durchfuhr es ihn. Das hat mir gerade noch gefehlt! Seine Gedanken liefen einen doppelten Schienenweg entlang, aber wie stets bei einer Katastrophe in nur einer Richtung, und der Teufel weiß wohin. Der Wirrwarr in Stjopas Kopf ist schwer wiederzugeben. Erst dieser Teufelsspuk mit der schwarzen Baskenmütze, dem kalten Wodka und dem unwahrscheinlichen Vertrag ... Und nun zu allem Überfluß, wenn's recht ist, das Siegel an der Tür. Wenn ich einem erzähl, Berlioz hat was angestellt, er glaubt's nicht, nein, er glaubt's nicht! Aber da hängt's, das Siegel. Tja ... Und schon durchschwirrte Stjopas Gehirn der höchst peinliche Gedanke an einen Artikel, den er Berlioz ausgerechnet jetzt erst aufgedrängt hatte, damit der ihn in seiner Zeitschrift abdrucke. Ein blöder Artikel unter Brüdern! Außerdem war er nutzlos, hat auch nur wenig Geld gebracht...
    Der Erinnerung an den Artikel folgte auf dem Fuß die Erinnerung an ein zweifelhaftes Gespräch, das er am Abend des 24. April hier im Eßzimmer mit Berlioz geführt hatte, als er mit ihm zu Abend speiste. Das heißt, strenggenommen war das Gespräch natürlich nicht als zweifelhaft zu bezeichnen (auf ein zweifelhaftes Gespräch würde sich Stjopa niemals einlassen), doch es hatte sich um ein überflüssiges Thema

Weitere Kostenlose Bücher