Der Meister und Margarita
gedreht. Ohne weiteres, liebe Leute, hätte Stjopa es vermeiden können. Vor dem Siegel hätte es noch als lächerlich und belanglos gelten dürfen, aber jetzt...
Ach, Berlioz, Berlioz! brodelte es in Stjopa. Das will mir nicht in den Schädel!
Aber Stjopa konnte sich nicht lange der Trauer ergeben, und er wählte die Nummer des Varietefinanzdirektors Rimski. Seine Lage war heikel: Einmal konnte es den Ausländer beleidigen, daß Stjopa ihn kontrollierte, wiewohl er den Vertrag gesehen hatte, und zum andern war es auch sehr schwierig mit dem Finanzdirektor zu reden. Er konnte ihn schließlich nicht fragen: Sagen Sie, habe ich gestern mit einem Professor für Schwarze Magie einen Vertrag über fünfunddreißigtausend Rubel abgeschlossen? Das ging doch einfach nicht!
"Hallo!" vernahm er im Hörer Rimskis unangenehme, scharfe Stimme.
"Guten Tag, Grigori Danilowitsch", sagte Stjopa leise, "hier spricht Lichodejew. Folgendes . . . hm ... hm ... Bei mir sitzt dieser .. . äh ... Artist Voland ... Also ... ich wollte fragen, wie ist es mit heute abend?"
"Ach, der Schwarze Magier?" antwortete Rimski im Hörer. "Die Plakate sind schon fertig."
"Aha", sagte Stjopa mit schwacher Stimme, "na, bis nachher .. ." "Kommen Sie bald?" fragte Rimski.
"In einer halben Stunde", antwortete Stjopa, hängte den Hörer auf und preßte den glühenden Kopf mit den Händen. Ach, ist das eine widerliche Geschichte! Was ist bloß mit meinem Gedächtnis los, liebe Leute?
Allein, es war unschicklich, lange in der Diele zu verweilen. Stjopa machte sich einen Plan: Mit allen Mitteln würde er seine unglaubliche Vergeßlichkeit bemänteln und jetzt als erstes schlau aus dem Ausländer herauslocken, was dieser eigentlich heute abend in dem Stjopa anvertrauten Variete vorzuführen gedachte.
Stjopa wandte sich vom Telefon ab und erblickte in dem von der faulen Grunja lange nicht geputzten Spiegel deutlich einen merkwürdigen Kerl, lang wie eine Bohnenstange und mit einem Zwicker (ach, wäre doch Besdomny hiergewesen! Er hätte das Subjekt sofort wiedererkannt!). Der Kerl tauchte im Spiegel auf und verschwand. Unruhig spähte Stjopa den Flur entlang, und wieder gab es ihm einen Ruck, denn im Spiegel ging ein riesiger schwarzer Kater vorbei und verschwand gleichfalls. Stjopa stockte das Herz, er taumelte.
Was ist denn das? dachte er. Werde ich schon verrückt? Wo kommen denn diese Spiegelbilder her? Er spähte den Flur entlang und schrie ängstlich:
"Grunja! Was treibt sich denn hier für ein Kater rum? Wo kommt der her? Und wer ist da noch?"
"Regen Sie sich nicht auf, Stepan Bogdanowitsch", antwortete eine Stimme, aber nicht die von Grunja, sondern die des Gastes aus dem Schlafzimmer. "Der Kater gehört mir. Seien Sie nicht so nervös. Und Grunja ist nicht da, ich habe sie nach Woronesh geschickt, in ihre Heimat. Sie beklagte sich, daß Sie ihr den Urlaub vorenthalten."
Diese Worte waren dermaßen unerwartet und blöd, daß Stjopa beschloß, sich verhört zu haben. In völliger Verwirrung trabte er zurück ins Schlafzimmer, doch auf der Schwelle erstarrte er zur Salzsäule. Seine Haare sträubten sich hoch, seine Stirn bedeckte sich mit winzigen Schweißtröpfchen. Der Gast war nicht allein im Schlafzimmer, er hatte Gesellschaft: Im zweiten Sessel saß der Kerl, der sich im Vorzimmer gespiegelt hatte. Jetzt war er deutlich zu sehen: Hahnenfederschnurrbart, das eine Zwickerglas blinkte, das andere fehlte. Aber das war noch nicht das Schlimmste. Auf dem Juwelierswitwenhocker lümmelte ein dritter, nämlich der schwarze Kater, der wirklich von gruseliger Größe war. In der einen Pfote hielt er ein Glas Wodka, in der anderen eine Gabel mit einem aufgespießten marinierten Pilz.
Das Licht, im Schlafzimmer ohnehin schwach, verdunkelte sich vollends vor Stjopas Augen. So ist das also, wenn man verrückt wird, dachte er und hielt sich am Türrahmen fest. "Ich sehe, Sie sind ein wenig verwundert, hochverehrter Stepan Bogdanowitsch?" fragte Voland den Varietedirektor, der mit den Zähnen schnatterte. "Aber dazu besteht kein Anlaß. Dies ist mein Gefolge."
Der Kater kippte den Wodka, Stjopas Hand rutschte am Türrahmen abwärts.
"Und mein Gefolge braucht Platz", fuhr Voland fort, "demnach ist einer von uns zuviel in der Wohnung. Ich glaube, dieser eine sind Sie.".
,Ja, der Herr sind hier überflüssig!" meckerte der lange Karierte, er sprach im Plural von Stjopa. "Uberhaupt haben der Herr in letzter Zeit unglaubliche Schweinereien gemacht. Der Herr
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