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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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genauer an und erkannte, daß dieser zwar nach Besdomny fragte und sogar "Eijei-jei!" rief, daß ihm aber Besdomnys Schicksal herzlich gleichgültig war und nicht das geringste Mitleid in ihm erweckte. Großartig! Recht hat er! dachte Rjuchin mit zynischer Selbstvernichtungswut, brach seine Erzählung über Besdomnys Schizophrenie ab und bat: "Archibald Archibaldowitsch, ich brauch einen Schnaps ..."
    Der Pirat machte ein mitfühlendes Gesicht und flüsterte: "Ich verstehe ... Sofort..." Und er winkte dem Kellner. Eine Viertelstunde später saß Rjuchin gänzlich einsam vor einer Zärte, leerte dazu ein Glas nach dem andern und war sich bewußt, daß er in seinem Leben nichts mehr ändern, sondern nur noch vergessen konnte.
    Der Lyriker hatte seine Nacht vertan, während andere schmausten und zechten, und er wußte jetzt, daß das nicht mehr- rückgängig zu machen sei. Er brauchte nur den Kopf vom Tischlämpchen gen Himmel zu heben, um zu begreifen, daß die Nacht unwiederbringlich dahin war. Die Kellner rissen die Tücher von den Tischen. Die Kater, die die Veranda umstreunten, sahen nach Morgen aus. Uber den Lyriker wälzte sich unaufhaltsam der neue Tag.
7 Die unheimliche Wohnung
    Hätte man Stjopa Lichodejew an diesem Morgen gesagt: "Stjopa, wenn du nicht sofort aufstehst, wirst du erschossen!", so hätte er matt und kaum hörbar geantwortet: "Erschießt mich, macht mit mir, was ihr wollt, ich steh nicht auf." Nicht nur das, ihn dünkte sogar, daß er nicht einmal die Augen öffnen konnte, weil dann sofort ein Blitz aufzucken und seinen Kopf in Stücke reißen würde. In diesem Kopf dröhnte schweres Geläut, zwischen den Augäpfeln und den geschlossenen Lidern schwammen braune Flecke mit feuriggrünen Rändern, und zu allem Überfluß war ihm speiübel, wobei ihm schien, daß diese Übelkeit etwas mit den Tönen eines aufdringlichen Grammophons zu tun hatte.
    Stjopa strengte sein Erinnerungsvermögen an, aber nur eines fiel ihm ein, daß er nämlich gestern irgendwo mit einer Serviette in der Hand gestanden und versucht hatte, eine Dame zu küssen, wobei er ihr versprach, sie am nächsten Tag Punkt zwölf zu besuchen. Die Dame hatte das abgelehnt und gesagt: "Nein, nein, ich werde nicht zu Hause seinj", aber Stjopa hatte eigensinnig beharrt: "Und ich komme doch!"
    Was für eine Dame das war, wie spät es jetzt war, welcher Tag heut war und welcher Monat, das alles wußte Stjopa entschieden nicht, und noch schlimmer, er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Um wenigstens dies zu erkunden, zwang er die verklebten Lider des linken Auges auseinander. Im Halbdunkel gewahrte er ein trübes Blinken. Endlich erkannte er den großen Spiegel und begriff, daß er rücklings auf seinem Bett lag, das heißt auf dem ehemaligen Juwelierswitwenbett im Schlafzimmer. Danach brummte ihm derart der Schädel, daß er stöhnend das Auge schloß.
    Um es zu erklären: Als Stjopa Lichodejew, Direktor des Varietetheaters, an diesem Morgen zu sich kam, befand er sich in der Wohnung, die er zusammen mit dem verblichenen Berlioz gemietet hatte; sie gehörte zu einem großen fünfstöckigen Haus, das als offenes Rechteck an die Sadowaja grenzte. Es sei erwähnt, daß sich diese Wohnung Nr. 50 seit langem eines nicht gerade üblen, doch zumindest seltsamen Rufs erfreute. Noch vor zwei Jahren hatte sie der Witwe des Juweliers de Fougere gehört. Anna Franzewna de Fougere, eine ehrwürdige und sehr geschäftstüchtige Dame von fünfzig Jahren, hatte von ihren fünf Zimmern drei an einen Mann vermietet, der, glaube ich, Belomut hieß, und an einen anderen, dessen Name verlorengegangen ist.
    Genau vor zwei Jahren hatten unerklärliche Ereignisse eingesetzt: Menschen verschwanden spurlos aus der Wohnung. An einem arbeitsfreien Tag erschien in der Wohnung ein Milizionär, rief den zweiten Mieter (dessen Name verlorengegangen ist) in die Diele und sagte, er werde gebeten, für einen Moment ins Milizrevier zu kommen, um etwas zu unterschreiben. Der Mieter trug Anfissa, der längjährigen treuen Hausangestellten von Anna Franzewna, auf, eventuellen Anrufern auszurichten, er sei in zehn Minuten wieder da, dann entfernte er sich mit dem korrekten weißbehandschuhten Milizionär. Aber er kehrte weder in zehn Minuten noch überhaupt jemals zurück. Am erstaunlichsten ist, daß offensichtlich auch der Milizionär verschwunden war.
    Die fromme und, zugegeben, abergläubische Anfissa versicherte der ärgerlichen Anna Franzewna, da sei Zauberei im Spiel,

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