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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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stierte der Vorsitzende die Treppenstufen an, dann beschloß er, auf alles zu pfeifen und sich nicht mit so ausgeklügelten Fragen herumzuplagen.
    Kaum hatte er die Wohnung verlassen, da tönte aus dem'Schlaf-zimmer eine tiefe Stimme:
    "Dieser Nikanor Iwanowitsch gefällt mir nicht. Er ist ein Gauner und Speckjäger. Läßt es sich nicht einrichten, daß er nicht mehr herkommt?"
    "Ihr braucht nur zu befehlen, Messere", antwortete Korowjew von irgendwoher, doch nicht mehr mit klirrender, sondern mit sehr klarer und klangvoller Stimme.
    Und schon war der vermaledeite Dolmetscher in der Diele, wählte eine Nummer und sprach weinerlich in den Hörer: "Hallo! Ich halte es für meine Pflicht, zu melden, daß der Vorsitzende unserer Hausgemeinschaft in der Sadowaja 302 b, Nikanor Iwanowitsch Bossoi, in Devisen spekuliert. Im Lüftungsschacht der Toilette in seiner Wohnung Nr. 35 hat er vierhundert Dollar versteckt, in Zeitungspapier gewickelt. Hier spricht Timofej Kwaszow, Mieter der Wohnung Nr. 11 im erwähnten Hause. Aber ich bitte inständig, meinen Namen unbedingt geheimzuhalten. Ich fürchte die Rache des oben genannten Vorsitzenden."
    Und er hängte den Hörer auf, der Schuft!
    Was weiter in der Wohnung Nr. 50 geschah, ist unbekannt, aber was bei Nikanor Iwanowitsch geschah, wissen wir. Nachdem er sich in seiner Toilette eingeschlossen und den Haken vorgelegt hatte, entnahm er der Aktentasche das Päckchen, das ihm der Dolmetscher aufgedrängt hatte, und stellte fest, daß es vierhundert Rubel enthielt. Er wickelte es in Zeitungspapier und schob es in den Lüftungsschacht.
    Fünf Minuten später saß er in seinem kleinen Eßzimmer am Tisch. Seine Eheliebste brachte ihm aus der Küche einen appetitlich zerlegten Hering, dick mit gehacktem Zwieblauch bestreut. Nikanor Iwanowitsch goß sich ein Weinglas voll Wodka, trank es aus, goß ein zweites Mal ein, trank, dann spießte er drei Heringshappen auf die Gabel... und in diesem Moment läutete es. Gerade trug Pelageja Antonowna eine dampfende Kasserolle herein, bei deren Anblick man sofort erriet, daß da in dickem feurigem Borstsch das lag, was das Leckerste auf der Welt ist — ein Markknochen.
    Nikanor Iwanowitsch schluckte Speichel und knurrte wie ein Köter: "Verrecken sollt ihr! Nicht mal essen kann man ... Laß keinen rein, ich bin nicht da. Wegen der Wohnung kannst du sagen, sie sollen" aufhören zu quatschen. Nächste Woche machen wir Sitzung."
    Die Gattin eilte in den Flur, und Nikanor Iwanowitsch fischte mit der Schöpfkelle den gespaltenen Markknochen aus dem feuerspeienden See. Da traten zwei Männer ins Eßzimmer, gefolgt von der bleichen Pelageja Antonowna. Beim Anblick der beiden Männer erbleichte auch Nikanor Iwanowitsch und erhob sich.
    "Wo ist der Abtritt?" fragte sorglich der eine, der ein' weißes Russenhemd trug.
    Auf dem Eßtisch klirrte es (Nikanor Iwanowitsch hatte die Schöpfkelle auf die Wachstuchdecke fallen lassen). "Hier, hier", sprudelte Pelageja Antonowna hervor. Die Ankömmlinge strebten sofort in den Korridor hinaus. "Was ist denn los?" fragte Nikanor Iwanowitsch leise und folgte den beiden Männern. "Bei uns ist doch nichts Faules in der Wohnung ... Entschuldigung, darf ich mal die Ausweise sehen?"
    Der eine zeigte Nikanor Iwanowitsch im Gehen seinen Ausweis, der andere stand schon in der Toilette auf einem Hocker und hatte die Hand im Lüftungsschacht. Nikanor Iwanowitsch wurde schwarz vor Augen. Das Zeitungspapier wurde aufgewik-kelt, aber in dem Päckchen waren keine Rubel, sondern fremdländisches Geld, blaugrün, mit der Abbildung eines alten Mannes. Übrigens nahm Nikanor Iwanowitsch das nur undeutlich wahr, denn vor seinen Augen tanzten bunte Flecke. "Dollars in der Ventilation", sagte der eine nachdenklich und fragte Nikanor Iwanowitsch sanft und höflich: "Gehört das Päckchen Ihnen?"
    "Nein!" antwortete Nikanor Iwanowitsch mit furchtsamer Stimme. "Das haben mir meine Feinde reingesteckt!"
    "So etwas kommt vor", stimmte der eine zu und fuhr sanft fort:
    "Sie müssen aber auch das übrige abgeben."
    "Ich hab doch nichts! Ich schwöre bei Gott, ich hab das nie in der Hand gehabt!" schrie der Vorsitzende verzweifelt.
    Er stürzte zur Kommode, riß polternd die Schublade heraus und holte die Aktentasche hervor, dabei schrie er ohne Sinn und Verstand:
    "Da ist der Vertrag . .. Der Dolmetscher, dieser Lump, hat mir das untergejubelt... Korowjew, der mit dem Zwicker!" Er öffnete die Aktentasche, sah hinein, suchte auch mit der Hand,

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