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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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dann lief er blau an und ließ die Aktentasche in den Borstsch fallen. In der Aktentasche war weder der Brief von Lichodejew noch der Vertrag, weder der ausländische Paß noch das Geld oder die Freikartenanweisung. Nichts war da, nur der Zollstock. "Genossen!" schrie der Vorsitzende außer sich. "Nehmt sie fest! Wir haben den Teufel im Hause!"
    Es bleibt ungewiß, was Pelageja Antonowna sich dachte, aber sie schlug die Hände zusammen und rief:
    "Gib alles zu, Nikanor, dann kriegst du weniger aufgebrummt!" Mit blutunterlaufenen Augen schwang Nikanor Iwanowitsch die Fäuste über seiner Frau und knirschte: "Uch, du dummes Luder!"
    Dann erschlaffte er und sank auf einen Stuhl, offenbar entschlossen, sich in das Unvermeidliche zu schicken. Währenddessen klebte Timofej Kondratjewitsch Kwaszow im Treppenhaus abwechselnd mit Ohr und Auge am Schlüsselloch der Vorsitzendenwohnung und verging vor Neugier. Fünf Minuten später sahen Hausbewohner, die auf dem Hof waren, den Vorsitzenden in Begleitung von zwei Männern aufs Haustor zugehen. Sie erzählten sich, Nikanor Iwanowitschs Gesicht sei nicht wiederzuerkennen gewesen, er sei taumelnd gegangen Wie ein Betrunkener und habe etwas gemurmelt. Abermals eine Stunde später erschien ein Unbekannter in der Wohnung Nr. 11, als Timofej Kwaszow eben den anderen Mietern, vor Wonne schluchzend, erzählte, wie der Vorsitzende fertiggemacht worden sei. Der Mann winkte ihn in die Diele, sagte etwas zu ihm und ging mit ihm weg.
10 Nachrichten aus Jalta
    Während das Unglück über Nikanor Iwanowitsch hereinbrach, befanden sich unweit des Hauses Nr. 302 b, ebenfalls in der Sadowaja, im Zimmer des Varietefinanzdirektors Rimski zwei Personen: Rimski selbst und der Varieteadministrator Ware-nucha.
    Das große Zimmer im ersten Stock des Theaters hatte zwei Fenster zur Sadowaja und ein drittes hinterm Rücken des Finanzdirektors, der am Schreibtisch saß, zum Sommergarten des Varietes, in dem es Erfrischungskioske, eine Schießbude und eine offene Estrade gab. Die Einrichtung des Zimmers bestand außer dem Schreibtisch in alten Plakaten an der Wand, einem kleinen Tisch mit einer Wasserkaraffe darauf, vier Sesseln und einem Gestell in der Ecke, das ein uraltes verstaubtes Revuebühnenmodell trug. Na, es versteht sich von selbst, daß außerdem ein verwahrloster, kleiner Panzerschrank mit abgeblätterter Farbe da war, der links von Rimski neben dem Schreibtisch stand.
    Der am Schreibtisch sitzende Rimski war seit dem frühen Morgen in miserabler Laune, Warenucha hingegen kribblig und rastlos tätig. Er fand jedoch kein Ventil für seine Tatkraft. Warenucha hatte sich im Zimmer des Finanzdirektors versteckt, um den Freikartenjägern zu entrinnen, die ihm das Leben vergifteten, zumal an Tagen, an denen das Programm wechselte. Heute war so ein Tag. Kaum klingelte das Telefon, nahm Warenucha den Hörer ab und log:
    "Wen wollen Sie sprechen? Warenucha? Der ist nicht im Hause."
    "Ruf doch mal Lichodejew an", sagte Rimski gereizt. "Der ist doch nicht zu Hause. Ich hab schon Karpow hingeschickt. Da ist kein Mensch in der Wohnung." "So ein Mist!" zischte Rimski und klapperte mit dem Rechenbrett.
    Die Tür ging auf, und ein Platzanweiser schleppte ein dickes Paket eben erst fertiggedruckter Plakataufkleber herein, die in roten Riesenlettern auf grünem Untergrund die Schrift zeigten:
    Heute und täglich im Varietetheater
    zusätzlich zum Programm
    Professor Voland
    Vorstellung in Schwarzer Magie
    nebst Entlarvung 
    Warenucha breitete einen der Aufkleber über das Bühnenmodell, betrachtete ihn liebevoll und befahl dem Platzanweiser, sämtliche Exemplare sofort kleben zu lassen. "Sehr flott, fällt ins Auge!" bemerkte er, nachdem der Platzanweiser gegangen war.
    "Mir mißfällt diese Geschichte im höchsten Grade", knurrte Rimski und- starrte das Plakat böse durch seine Hornbrille an, "ich wundere mich überhaupt, wie man eine solche Vorstellung genehmigen konnte."
    "Sag das nicht, Grigori Danilowitsch! Das ist raffiniert. Der Witz liegt in der Entlarvung."
    "Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich glaube, es ist gar kein Witz dabei... Immer wieder kommt er auf solche Ideen! Wenn er uns den Magier wenigstens vorgestellt hätte! Hast du ihn gesehen? Wo er den wohl ausgebuddelt hat? Das mag der Teufel wissen!"
    Es stellte sich heraus, daß Warenucha den Magier ebensowenig gesehen hatte wie Rimski. Gestern war Stjopa ("wie ein Verrückter", sagte Rimski) mit einem fertigen Vertragsentwurf zum Finanzdirektor

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