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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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nagte an den dicken Lippen, und immer wieder verzerrte ein Krampf sein Gesicht. Nach Lichodejew war nun unvorhergesehenerweise auch der Administrator Warenucha verschwunden. Rimski wußte, zu welcher Dienststelle Warenucha gegangen war, doch der kam nicht zurück! Rimski zuckte die Achseln und flüsterte:
    "Wofür bloß?"
    Merkwürdig: der sachliche Finanzdirektor, für den es das einfachste gewesen wäre, die Dienststelle anzurufen, zu der Warenucha gegangen war, und zu fragen, was los sei, konnte sich bis zehn Uhr abends nicht dazu entschließen.
    Um zehn nahm er mit förmlicher Selbstüberwindung den Hörer ab und stellte fest, daß die Telefonleitung tot war. Ein Bote meldete, auch die übrigen Apparate im Hause seien gestört. Diese zwar ärgerliche, doch nicht übernatürliche Erscheinung gab dem Finanzdirektor den Rest, aber zugleich erfreute sie ihn, denn nun war er des Anrufens enthoben.
    Während über seinem Kopf ein rotes Lämpchen aufleuchtete und flackernd den Beginn der Pause signalisierte, trat der Bote ein und teilte mit, daß der ausländische Artist eingetroffen sei. Dem Finanzdirektor gab es einen Ruck; finsterer als eine Gewitterwolke ging er in die Kulissen, um den Gast zu begrüßen, denn sonst war keiner da, der das hätte tun können.
    Vom Korridor, wo schon die Signalglocken bimmelten, linsten unter diversen Vorwänden Neugierige in die große Garderobe. Darunter waren Taschenspieler in leuchtend buntem Kostüm und mit Turban, ein Rollschuhläufer in weißem Pullover, der bleichgepuderte Conferencier und der Maskenbildner. Der berühmte Gast verblüffte jedermann durch einen Frack von nie gesehener Länge und phantastischem Schnitt und dadurch, daß er eine schwarze Halbmaske trug. Am erstaunlichsten aber waren die beiden Begleiter des Schwarzen Magiers: ein langer Kerl mit kariertem Jäckchen und gesprungenem Zwicker und ein fetter schwarzer Kater, der die Garderobe auf den Hinterpfoten betrat, lässig auf dem Sofa Platz nahm und zu den kahlen Schminklämpchen hinaufblinzelte.
    Rimski zwang ein Lächeln auf sein Gesicht, das es noch saurer und grimmiger erscheinen ließ, und wechselte eine Verbeugung mit dem schweigsamen Magier, der neben dem Kater auf dem Sofa saß. Einen Händedruck gab es nicht. Dafür stellte sich ihm der Karierte munter als "dem Herrn sein Assistent" vor.
    Das verwunderte den Finanzdirektor, ja, es befremdete ihn, denn im Vertrag stand kein Wort von einem Assistenten. Sehr trocken und gezwungen erkundigte sich Rimski bei dem über ihn hergefallenen Karierten, wo die Requisiten des Artisten seien.
    "Sie unser himmlisches Schmuckstück, unser kostbarer Herr Direktor", antwortete der Assistent des Magiers mit klirrender Stimme. "Unsere Requisiten haben wir immer bei uns, hier sind sie! Ejn, zwej, drej!" Mit seinen knotigen Fingern fuchtelte er vor Rimskis Augen und zog dann plötzlich hinterm Ohr des Katers die goldene Taschenuhr hervor, die der Finanzdirektor zuvor unterm zugeknöpften Jackett in der Westentasche an der festgeschlungenen Kette getragen hatte.
    Rimski griff sich unwillkürlich an den Bauch, die Anwesenden ließen ein "Aah" hören, und der Maskenbildner an der Tür ächzte beifallig.
    "Ihre Uhr? Bitte in Empfang zu nehmen", sagte der Karierte mit weltmännischem Grinsen und reichte Rimski auf schmutziger Hand dessen Eigentum zurück.
    "Mit dem möcht ich nicht Straßenbahn fahren", raunte der Conferencier vergnügt dem Maskenbildner zu.
    Aber der Kater führte noch ein schärferes Ding vor als die Nummer mit der Taschenuhr. Er erhob sich plötzlich vom Sofa, trat aufrecht zur Spiegelkonsole, zog mit der Vorderpfote den Stöpsel aus der Karaffe, schenkte Wasser ins Glas, trank, pflanzte den Stöpsel wieder in den Karaffenhals und wischte sich mit einem Schminklappen den Bart.
    Jetzt machte niemand mehr "Aah", nur alle Münder standen sperrangelweit offen, und der Maskenbildner flüsterte begeistert : "Klasse!"
    In diesem Moment bimmelte es zum drittenmal, und alles strömte aufgekratzt und im Vorgeschmack interessanter Darbietungen aus der Garderobe.
    Gleich darauf erloschen im Zuschauerraum die Lampenglocken, die Rampe erstrahlte und warf einen rötlichen Schein auf den unteren Vorhangsaum, und im beleuchteten Spalt des Vorhangs erschien vor dem Publikum ein dicker Mann, vergnügt wie ein Kind, mit glattrasiertem Gesicht, zerdrücktem Frack und schmuddligem Hemd. Es war der in ganz Moskau wohlbekannte Conferencier George Bengalski.
    "Also, meine Damen und

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