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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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die Hucke voll? Das Bewußtsein einer Gefahr, einer unbekannten, doch drohenden Gefahr begann Rimskis Seele zu martern. Indem er sich den Anschein gab, als bemerke er weder Warenuchas Winkelzüge noch den Trick mit der Zeitung, betrachtete er dessen Gesicht und hörte kaum noch zu, was der ihm vorflunkerte. Das war etwas, was noch unerklärlicher schien als die wer weiß warum erdachten Verleumdungen über die Untaten in Puschkino, und dieses Etwas war eine Veränderung im Aussehen und im Gehaben des Administrators.
    So tief sich Warenucha auch den langen Mützenschirm ins Gesicht gezogen hatte, um es zu beschatten, wie geschickt er auch mit der Zeitung hantierte, Rimski erspähte dennoch neben dessen Nase rechts ein riesiges Veilchen. Überdies war der gewöhnlich vollblütige Administrator jetzt von einer ungesunden kreidigen Blässe, und um den Hals trug er trotz der schwülen Nacht einen alten gestreiften Schal. Nahm man dazu die während seiner Abwesenheit entstandene widerliche Art, zu schlürfen und zu schmatzen, die jähe Veränderung der Stimme, die nun dumpf und grob klang, und die diebischen und feigen Blicke, so konnte man getrost sagen, daß Iwan Saweljewitsch Warenucha nicht wiederzuerkennen sei.
    Und noch etwas verursachte dem Finanzdirektor brennendes Unbehagen, aber was es war, wußte er nicht, sosehr er auch sein entzündetes Gehirn anstrengte und Warenucha anstarrte. Nur soviel erkannte er, daß der Anblick des Administrators auf dem wohlbekannten Sessel etwas nie Gesehenes, Unnatürliches hatte.
    "Na, zu guter Letzt wurde er überwältigt und ins Auto gesetzt", tönte Warenucha, blickte hinter der Zeitung hervor und hielt sich die Hand vor den blauen Fleck.
    Rimski streckte plötzlich die Hand aus, spielte mit den Fingern auf der Tischplatte, drückte dabei wie spielerisch auf den Klingelknopf und saß starr.
    Im leeren Gebäude hätte ein schrilles Läutsignal ertönen müssen. Aber es blieb aus, leblos sank der Knopf in die Tischplatte. Er war tot, die Klingel funktionierte nicht. Rimskis List war Warenucha nicht entgangen. Sein Gesicht zuckte, in seine Augen trat deutlich ein böses Glimmern, und er fragte:
    "Warum klingelst du?"
    "Nur so", antwortete der Finanzdirektor dumpf, zuckte mit der Hand zurück und fragte seinerseits mit unsicherer Stimme: "Was hast du da im Gesicht?"' "Der Wagen kam ins Schlingern, da bin ich gegen die Tür gestoßen", antwortete Warenucha und blickte weg.
    Lüge! rief der Finanzdirektor in Gedanken aus. Und plötzlich rundeten sich seine Augen und blickten irr, während er auf Warenuchas Sessellehne starrte.
    Hinter dem Sessel lagen auf dem Fußboden zwei gekreuzte Schatten, der eine tief schwarz, der andere dünn und grau, die deutlichen Schatten von der Lehne und den spitzen Sesselfüßen, aber oberhalb der Lehne fehlte der Schatten von Warenuchas Kopf ebenso wie unterm Sessel der Schatten von seinen Beinen. Er wirft keinen Schatten! schrie es verzweifelt in Rimski, und er zitterte heftig.
    Warenucha guckte sich, Rimskis irrem Blick folgend, verstohlen um und sah sich entlarvt.
    Er stand vom Sessel auf (dasselbe tat der Finanzdirektor) und trat einen Schritt vom Tisch zurück.
    "Hast es rausgefunden, du Aas! Warst ja schon immer ein schlauer Hund", sagte Warenucha und grinste dem Finanzdirektor böse ins Gesicht, dann sprang er plötzlich zur Tür und schob rasch den Sperrknopf des Sicherheitsschlosses nach unten. Rimski sah sich verzweifelt um und wich zum Fenster, das in den Garten führte. Vor dem Fenster erblickte er, vom Mondlicht Übergossen, das an die Scheibe geschmiegte Gesicht eines nackten Weibsbildes, das mit bloßem Arm durch die Lüftungsklappe langte und den unteren Riegel zu öffnen suchte. Der obere war bereits offen.
    Rimski hatte das Gefühl, daß die Tischlampe erlosch und der Schreibtisch sich neigte. Eine eisige Woge brandete gegen ihn, aber zu seinem Glück bezwang er sich und stürzte nicht. Seine letzte Kraft reichte aus, um zu flüstern: "Hilfe ..."
    Warenucha, der die Tür bewachte, vollführte Sprünge, schwebte jedesmal lange in der Luft und wiegte sich darin. Mit verkrümmten Fingern fuchtelte er gegen Rimski, zischte und schmatzte und zwinkerte dem Weibsbild am Fenster zu. Das Weibsbild beeilte sich, schob den rothaarigen Kopf durch die Lüftungsklappe, reckte den Arm, so weit sie konnte, kratzte mit den Fingernägeln am unteren Riegel und rüttelte am Fensterrahmen. Ihr Arm verlängerte sich wie aus Gummi und überzog sich mit

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