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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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welches Material er benutzt.«
     
    Erin zeigte auf das Mikroskop. »Ich habe die Objekte schon für Sie vorbereitet. Werfen Sie einmal einen Blick darauf.«
    Rizzoli und Dean setzten sich einander gegenüber und blickten durch die Okulare des Lehrmikroskops. Beide sahen dasselbe Bild: zwei Fasern, zum Vergleich direkt nebeneinander gelegt.
    »Die linke Faser wurde an Gail Yeagers Leiche sichergestellt; die rechte stammt von Karenna Ghent«, sagte Erin.
    »Was sagen Sie dazu?«
    »Sie sehen identisch aus«, antwortete Rizzoli.
    »Das sind Sie tatsächlich. Es handelt sich um Dupont-Nylon 6.6, olivgrün. Die Filamentstärke ist dreißig Denier, also extrem fein.« Erin griff nach einer Mappe und nahm zwei Kurvenbilder heraus, die sie nebeneinander auf den Tisch legte. »Und hier haben wir wieder die ATR-Spektren. Nummer eins gehört zu Yeager, Nummer zwei zu Ghent.« Sie sah Dean an. »Sie kennen sich aus mit der ATR-Technik, Agent Dean?«
    »Das ist eine Art Infrarot-Analyse, nicht wahr?«
    »Richtig. Wir benutzen diese Methode, um Oberflächenbehandlungen von der Faser selbst unterscheiden zu können. Um Chemikalien zu identifizieren, die nach dem Weben auf das Material aufgetragen wurden.«
    »Und haben Sie welche entdeckt?«
    »Einen Silikonüberzug. Letzte Woche sind Detective Rizzoli und ich mögliche Gründe für eine derartige Oberflächenbehandlung durchgegangen. Wir wussten nicht, für welchen Verwendungszweck dieses Material bestimmt war. Was wir allerdings wussten, war, dass diese Fasern hitzebeständig und lichtundurchlässig sind. Und dass ein Gewebe aus so feinen Fasern auch wasserdicht sein würde.«
    »Wir dachten, es könnte sich um einen Zelt- oder Planenstoff handeln«, sagte Rizzoli.
    »Und was würde die Silikonschicht bewirken?«, fragte Dean.
    »Antistatische Eigenschaften«, antwortete Erin. »Eine Verbesserung der Reiß- und Wasserfestigkeit. Außerdem wird dadurch die Durchlässigkeit des Materials auf nahe null gesenkt. Mit anderen Worten, nicht einmal Luft kann mehr hindurchdringen.« Erin blickte zu Rizzoli. »Irgendwelche Ideen, was das sein könnte?«
    »Sie sagten, Sie wüssten die Antwort bereits.«
    »Nun ja, ich hatte auch ein wenig Hilfe dabei – vom Labor der Staatspolizei Connecticut.« Erin legte ein drittes Schaubild auf den Tisch. »Das hier haben die Kollegen mir heute Nachmittag gefaxt. Es ist das ATR-Spektrogramm von Fasern aus einem Mordfall in einer ländlichen Gegend von Connecticut. Die Fasern wurden an den Handschuhen und der Schaffelljacke eines Verdächtigen gefunden. Vergleichen Sie sie doch einmal mit denen von Karenna Ghents Leiche.«
    Rizzolis Blick pendelte zwischen den beiden Kurven hin und her. »Die Spektren stimmen überein. Die Fasern müssen identisch sein.«
    »Genau. Nur die Farbe ist anders. Die Fasern aus unseren beiden Fällen sind olivgrün. Diejenigen aus dem Mordfall in Connecticut wiesen zwei verschiedene Farben auf. Manche waren neon-orange, andere leuchtend hellgrün.«
    »Sie machen Witze.«
    »Hört sich ziemlich kunterbunt an, was? Aber abgesehen von der Farbe stimmen die Fasern aus Connecticut mit unseren Exemplaren überein. Dupont-Nylon 6.6. Dreißig-Denier-Filamente, bearbeitet mit einem Silikonüberzug.«
    »Erzählen Sie uns etwas über den Fall in Connecticut.«
    »Zunächst sah es nach einem Unfall aus. Der Fallschirm des Opfers hatte sich nicht richtig geöffnet. Erst nachdem diese orangefarbenen und hellgrünen Fasern an der Kleidung des Verdächtigen gefunden worden waren, wurde das Ganze zu einem Mordfall.«
    Rizzoli starrte die ATR-Kurven an. »Es ist ein Fallschirm.«
    »Genau. Der Verdächtige in dem Connecticut-Mordfall hatte am Abend zuvor den Fallschirm des Opfers manipuliert. Dieses ATR-Bild ist charakteristisch für Fallschirmstoffe. Das Material ist reißfest und wasserabweisend. Es lässt sich leicht verpacken und verstauen, wenn es nicht gebraucht wird. Das ist das Material, das Ihr Täter zum Einwickeln der Opfer benutzt.«
    Rizzoli sah sie an. »Ein Fallschirm«, sagte sie. »Das ideale Leichentuch.«

19
    Alles war voller Papiere, Aktenordner lagen aufgeschlagen auf dem Konferenztisch, daneben Tatortfotos, aufgefächert wie glänzende Schindeln. Füllfedern kratzten über gelbes Notizpapier. Auch im Zeitalter des Computers und des sekundenschnellen Informationstransfers verließen sich die meisten Polizisten immer noch lieber auf ihren guten alten Notizblock. Rizzoli hatte ihren eigenen Laptop im Büro gelassen und

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