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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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würde.«
    Sofort schrillten in ihrem Kopf die Alarmglocken. Er wendete die Diskussion wieder ins Persönliche, zielte direkt auf ihre Achillesferse. Genoss er es etwa, sie so leiden zu sehen? Verfolgte seine Strategie irgendeinen anderen Zweck als den, ihren schlimmsten Befürchtungen Nahrung zu geben?
    »Zum Zeitpunkt dieser Aufzeichnung hatte er seine Flucht bereits geplant«, sagte Dean. »Vergessen Sie nicht, dass er es war, der mit O’Donnell Kontakt aufnahm. Er wusste, dass sie zu einem Gespräch mit ihm bereit sein würde. Es war ein Angebot, das sie nicht ausschlagen konnte. Sie stellte ihm eine Bühne zur Verfügung, indem sie alles aufzeichnete, was er zu sagen hatte – die Worte, die alle dort draußen hören sollten, und ganz besonders Sie. Und dann setzte er eine logische Folge von Ereignissen in Gang, die geradewegs zu diesem Moment führte – dem Moment, in dem Sie sich dieses Video anschauten.«
    »Kann irgendjemand so clever sein?«
    »Ist Warren Hoyt etwa nicht clever?«, fragte er – eine Bemerkung, die wieder darauf abzielte, ihren Schutzschild zu durchdringen, ihren Widerstand gegen die unleugbaren Tatsachen zu brechen.
    »Er hat ein Jahr hinter Gittern verbracht. Er hatte ein Jahr lang Zeit, seine Fantasien reifen zu lassen«, sagte Dean. »Und sie kreisten alle um Sie.«
    »Nein, Catherine Cordell war diejenige, die er haben wollte. Es war von Anfang an Cordell …«
    »O’Donnell hat er aber etwas anderes erzählt.«
    »Dann hat er gelogen.«
    »Warum?«
    »Um mich zu treffen. Mich zu schocken.«
    »Dann stimmen Sie mir also zu. Dieses Videoband sollte tatsächlich in Ihre Hände gelangen. Es ist eine Botschaft, die für Sie bestimmt ist.«
    Sie fixierte den leeren Fernsehbildschirm. Es war, als ob das geisterhafte Nachbild von Hoyts Gesicht sie immer noch anstarrte. Alles, was er getan hatte, zielte darauf ab, ihre Welt in den Grundfesten zu erschüttern, ihren Seelenfrieden zu zerstören. Genau so hatte er es auch mit Cordell gemacht, bevor er zur tödlichen Attacke ausgeholt hatte. Er wollte seine Opfer in Angst und Schrecken versetzen – sie mussten vollkommen zermürbt sein, am Ende ihrer Kräfte; erst dann waren sie reif für ihn, erst dann schritt er zur Ernte. Sie konnte sich dem Offensichtlichen nicht länger verschließen, konnte die Wahrheit nicht länger leugnen, die ihr ins Gesicht starrte.
    Dean setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. »Ich finde, Sie sollten diesen Fall abgeben«, sagte er mit ruhiger Stimme.
    Sie starrte ihn entgeistert an. » Abgeben! «
    »Sie sind zu stark persönlich involviert.«
    »Es ist immer eine persönliche Sache, wenn ich mich mit einem Täter anlege.«
    »Aber nicht in diesem Maße. Er will, dass Sie an diesem Fall dranbleiben, damit er weiter seine Spielchen spielen kann. Damit er sich weiter in alle Bereiche Ihres Lebens einschleichen kann. Als Leiterin des Ermittlungsteams sind Sie sehr exponiert; es ist nicht schwer, an Sie heranzukommen. Sie gehen voll in der Ermittlungsarbeit auf. Und jetzt verlegt er sich schon darauf, die Taten eigens für Sie zu inszenieren. Um mit Ihnen zu kommunizieren.«
    »Umso wichtiger ist es für mich, dranzubleiben.«
    »Nein. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich zurückziehen. Dass Sie einen gewissen Abstand zwischen sich und Hoyt bringen.«
    »Ich weiche niemals einer Auseinandersetzung aus, Agent Dean«, gab sie scharf zurück.
    Nach einer kurzen Pause erwiderte er trocken: »Nein. Das kann ich mir bei Ihnen auch nicht vorstellen.«
    Diesmal war sie es, die sich aggressiv vorbeugte, die durch ihre Körperhaltung auf Konfrontationskurs ging. »Was haben Sie eigentlich für ein Problem mit mir? Sie hatten mich doch von Anfang an auf dem Kieker. Sie haben hinter meinem Rücken mit Marquette über mich geredet. Sie haben mich in ein schlechtes Licht gerückt …«
    »Ich habe nie Ihre Befähigung in Frage gestellt.«
    »Also, was ist denn nun Ihr Problem mit mir?«
    Auf ihre wütenden Vorhaltungen antwortete er in ruhigem und besonnenem Ton. »Bedenken Sie, mit wem wir es zu tun haben. Mit einem Mann, den Sie schon einmal zur Strecke gebracht haben. Einem Mann, der seine Festnahme Ihnen zu verdanken hat. Er beschäftigt sich in Gedanken immer noch damit, was er mit Ihnen anstellen würde, wenn er Sie noch einmal in seiner Gewalt hätte. Und Sie haben ein ganzes Jahr lang vergeblich versucht zu vergessen, was er Ihnen angetan hat. Er ist scharf auf eine Fortsetzung, Jane. Er bereitet den Boden dafür, er

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