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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Blondine vor ihr. Perfekt gestylte Frisur, rote Schuhe mit meterhohen Absätzen. Eine Frau, die so aussah, als hätte sie tatsächlich etwas im Watergate verloren. Rizzoli war sich peinlich bewusst, wie sie mit ihren abgestoßenen, klobigen blauen Halbschuhen dagegen wirken musste. Polizistinnenschuhe – gemacht, um damit zu gehen. Und sie war viel zu Fuß unterwegs. Ich brauche keine Ausreden, dachte sie. So bin ich nun mal. Das Mädchen aus Revere, das sein Geld mit der Jagd nach Monstern verdient. Menschenjäger tragen keine hochhackigen Schuhe.
    »Was kann ich für Sie tun?«, rief der Mann vom Empfang ihr zu.
    Rizzoli zog ihre Reisetasche an den Tresen heran. »Für mich sollte ein Zimmer reserviert sein. Rizzoli.«
    »Ja, ich habe Ihren Namen hier. Und eine Nachricht von einem Mr. Dean. Ihr Termin ist um fünfzehn Uhr dreißig.«
    »Termin?«
    Er blickte von seinem Computerbildschirm auf. »Sie wussten nichts davon?«
    »Nun, jetzt weiß ich es ja. Steht da auch eine Adresse?«
    »Nein Ma’am. Aber Sie werden um drei mit dem Wagen hier abgeholt.« Er gab ihr eine Schlüsselkarte und lächelte. »Anscheinend brauchen Sie sich um nichts zu kümmern.«
     
    Schwarze Wolkenfetzen hingen am Himmel, und in der aufgeladenen Luft, die ein Gewitter anzukündigen schien, richteten sich die feinen Härchen auf ihren Armen auf. Die regenschwangere Luft trieb ihr den Schweiß auf die Stirn, als sie vor dem Hoteleingang stand und auf die Limousine wartete. Es war ein dunkelblauer Volvo, der nach kurzer Zeit in die Auffahrt einbog und direkt vor ihr stehen blieb.
    Sie spähte durch das Beifahrerfenster und sah, dass Gabriel Dean am Steuer saß.
    Die Zentralverriegelung klickte, und sie stieg neben ihm ein. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihm so bald zu begegnen, und sie fühlte sich überrumpelt. Es ärgerte sie, dass er so ruhig und beherrscht wirkte, während sie von ihrem Vormittagsflug immer noch leicht desorientiert war.
    »Willkommen in Washington«, sagte er. »Wie war die Reise?«
    »Keine Probleme. Ich könnte mich glatt daran gewöhnen, in einer Limousine herumkutschiert zu werden.«
    »Und das Zimmer?«
    »Viel besser als das, was ich sonst so gewohnt bin.«
    Ein leises Lächeln huschte über seine Lippen, bevor er sich wieder auf das Fahren konzentrierte. »Sie empfinden es also nicht nur als reine Folter.«
    »Habe ich das etwa behauptet?«
    »Sie scheinen nicht sonderlich erfreut, hier zu sein.«
    »Ich würde mich viel mehr freuen, wenn ich wüsste, warum ich hier bin.«
    »Das wird Ihnen klar werden, wenn wir erst da sind.«
    Sie warf einen Blick auf die Straßenschilder, die sie passierten, und stellte fest, dass sie nach Nordosten fuhren – was bedeutete, dass sie sich vom FBI-Hauptquartier entfernten. »Wir fahren nicht zum Hoover Building?«
    »Nein. Georgetown. Er möchte sich in seinem Haus mit Ihnen treffen.«
    »Wer?«
    »Senator Conway.« Dean sah sie von der Seite an. »Sie sind doch nicht bewaffnet, oder?«
    »Meine Dienstpistole ist noch im Koffer.«
    »Gut. Senator Conway lässt nämlich niemanden mit Feuerwaffen in sein Haus.«
    »Aus Sicherheitsgründen?«
    »Um seines Seelenfriedens willen. Er hat in Vietnam gedient; er hat für den Rest seines Lebens genug Kanonen gesehen.«
    Die ersten Regentropfen trommelten auf die Windschutzscheibe.
    Sie seufzte. »Ich wünschte, ich könnte das auch sagen.«
     
    Senator Conways Arbeitszimmer war mit dunklem Holz und Leder eingerichtet – ein Männerzimmer, dekoriert nach Männerart, dachte Rizzoli, als sie die Reihe von japanischen Schwertern an der Wand bemerkte. Der silberhaarige Besitzer der Sammlung begrüßte sie mit einem herzlichen Händedruck und sanfter Stimme, doch der Blick seiner kohlschwarzen Augen war scharf und direkt wie Laserstrahlen, und sie spürte, wie er sie unverhohlen taxierte. Sie ließ seine Musterung über sich ergehen, wenn auch nur, weil sie begriff, dass sie keinen Schritt weiterkommen würden, solange er nicht zufrieden war mit dem, was er sah. Und was er sah, war eine Frau, die seinen Blick unverwandt erwiderte. Eine Frau, die sich wenig aus politischen Spitzfindigkeiten machte, aber umso mehr an der Wahrheit interessiert war.
    »Bitte, nehmen Sie doch Platz, Detective«, sagte er. »Ich weiß, dass Sie gerade erst mit dem Flugzeug von Boston gekommen sind. Sie brauchen wahrscheinlich noch ein bisschen Zeit, um sich zu akklimatisieren.«
    Eine Sekretärin brachte ein Tablett mit Kaffee und drei Porzellantassen herein.

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