Der Meister
Entsetzen über meine Fantasien empfinde.
Aber ich bin es, der als krank eingestuft wird. Ich bin derjenige, der analysiert werden muss. Also erzähle ich ihnen all die Dinge, die sie insgeheim hören wollen, Dinge, von denen ich weiß, dass sie sie faszinieren werden. Für die Dauer ihres Besuchs, für rund eine Stunde, bediene ich ihre Neugier, denn ich weiß, dass dies der wahre Grund ist, weshalb sie zu mir gekommen sind. Niemand wird ihren Fantasien je so auf die Sprünge helfen, wie ich es kann. Niemand wird sie je in solche verbotenen Regionen entführen. Während sie mein psychologisches Profil zu erstellen versuchen, drehe ich den Spieß um und arbeite an ihrem Profil – ich messe, wie stark ihr Appetit auf Blut ausgeprägt ist. Während ich rede, beobachte ich ihre Gesichter, suche nach den verräterischen Anzeichen der Erregung. Die geweiteten Pupillen. Der vorgereckte Hals. Die rot angelaufenen Wangen. Der angehaltene Atem.
Ich erzähle ihnen von meinem Besuch in San Gimignano, einer Stadt hoch oben auf den grünen Hügeln der Toskana. Bei meinen Spaziergängen dort hatte ich, versteckt zwischen Straßencafes und Souvenirläden, ein kleines Museum entdeckt, das sich ganz dem Thema Folter widmet. Mein Steckenpferd, wie Sie wissen. Drinnen ist es düster; das gedämpfte Licht soll die Atmosphäre eines mittelalterlichen Verlieses suggerieren. Zudem verhüllt es gnädig die Mienen der Touristen; so müssen sie sich nicht schämen für die gierigen Blicke, mit denen sie die Exponate verschlingen.
Ein Ausstellungsstück erregt mehr als alle anderen die Aufmerksamkeit der Besucher. Es ist eine Apparatur aus dem Venedig des siebzehnten Jahrhunderts, mit der man Frauen bestrafte, die der Unzucht mit dem Teufel für schuldig befunden wurden. Sie ist aus Eisen gefertigt und hat die Form einer Birne. Dieses Gerät wird der unglücklichen Beschuldigten in die Vagina geschoben und mittels einer Schraube immer weiter und weiter ausgedehnt, bis die Scheidenwand einreißt – mit tödlichen Folgen. Die Vaginalbirne ist nur ein Beispiel aus einer ganzen Batterie von Vorrichtungen zur Verstümmelung von Brüsten und Genitalien im Namen der katholischen Kirche, der die Macht der weiblichen Sexualität stets ein Dorn im Auge war. In vollkommen nüchternem Ton beschreibe ich meinen Doktores diese Apparate. Die meisten von ihnen sind noch nie in einem solchen Museum gewesen, und es wäre ihnen gewiss peinlich, ihr Interesse an solchen Dingen einzugestehen. Aber während ich ihnen von den vierzinkigen Brustkrallen und den verstümmelnden Keuschheitsgürteln erzähle, beobachte ich ständig ihre Augen. Ich suche unter der Oberfläche aus Abscheu und Entsetzen und entdecke den dunklen Strom der Begierde, der Erregung, der darunter fließt.
O ja, sie alle wollen die Details hören.
Als das Flugzeug zur Landung ansetzte, klappte Rizzoli den Aktenordner mit Hoyts Brief zu und blickte aus dem Fenster. Sie sah graue, regenschwere Wolken am Himmel und die schweißglänzenden Gesichter von Arbeitern, die auf dem Rollfeld standen. Es würde wie in einer Sauna sein dort draußen, doch die Hitze war ihr willkommen. Hoyts Worte hatten ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken gejagt.
Während der Fahrt zum Hotel sah sie durch die getönten Scheiben die Stadt an sich vorübergleiten, in der sie bisher nur zweimal gewesen war, das letzte Mal anlässlich einer Konferenz im Hoover Building, dem Hauptsitz des FBI. Damals war sie in der Nacht angekommen, und sie entsann sich noch, wie eindrucksvoll ihr die von Flutlicht beschienenen Ehrendenkmäler erschienen waren. Sie erinnerte sich an eine Woche, in der jeden Abend heftigst gefeiert worden war, und an ihre unausgesetzten Bemühungen, Zug um Zug mit den Männern mitzuhalten, ob es nun um Bier oder um schlechte Witze ging. Alkohol, Hormone und die Atmosphäre der fremden Stadt, all das zusammen hatte schließlich zu einer wilden Liebesnacht mit einem anderen Konferenzteilnehmer geführt, einem Cop aus Providence – selbstverständlich verheiratet. Das war Washington für sie: die Stadt der Reue und der befleckten Laken. Die Stadt, die sie gelehrt hatte, dass auch sie gegen die Versuchungen eines abgedroschenen Klischees nicht immun war. Dass sie, trotz ihrer Überzeugung, keinem Mann in irgendetwas nachzustehen, am Morgen danach doch diejenige war, die sich schutzlos und verletzlich fühlte.
In der Schlange am Empfangsschalter des Watergate Hotels beäugte sie die elegante
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