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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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nicht die Zeit, sich mit ihm zu streiten, und so ignorierte sie ihn und lief einfach weiter.
    Bald schon erblickte sie die anderen. Sie standen mit finsteren Mienen und gesenkten Köpfen im Kreis, wie eine stumme Trauergesellschaft. Sleeper drehte sich um und sah sie an.
    »Sie waren gerade das erste Mal mit dem Metalldetektor über das Gelände gegangen«, erklärte er. »Der Kollege war schon auf dem Weg zurück zum Golfplatz, als das Ding Alarm geschlagen hat.«
    Rizzoli trat in den Kreis der Männer und ging in die Hocke, um zu inspizieren, was sie gefunden hatten.
    Der Schädel war vom Rumpf abgetrennt und lag ein wenig abseits der übrigen, nahezu skelettierten Überreste. Eine Goldkrone blitzte in dem mit Erde verkrusteten Gebiss auf wie ein Piratenzahn. Sie sah keine Kleidung, keine Stoffreste, nur blanke Knochen, an denen noch einige ledrige Fetzen modernden Fleischs hingen. Verfilzte und mit Laub durchsetzte braune Haarsträhnen ließen vermuten, dass es sich um die Leiche einer Frau handelte.
    Sie richtete sich auf und ließ den Blick über den Waldboden schweifen. Mücken landeten auf ihrem Gesicht und saugten ihr Blut, aber sie achtete nicht auf ihre Stiche, sondern starrte nur gedankenverloren auf die Schichten aus totem Laub und Zweigen, das dichte Unterholz. Eine scheinbar unberührte Waldidylle, die sie jetzt nur noch mit einem Gefühl des Grauens betrachten konnte.
    Wie viele tote Frauen liegen in diesem Wald?
    »Das hier ist sein Abladeplatz.«
    Sie wandte sich um und sah Gabriel Dean. Er war es, der gesprochen hatte. Ein paar Schritte weiter kauerte er am Boden und wühlte im Laub. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass er sich Handschuhe übergezogen hatte. Jetzt richtete er sich auf und sah sie an.
    »Ihr Unbekannter hat diesen Platz schon einmal benutzt«, sagte Dean. »Und er wird ihn wahrscheinlich wieder benutzen.«
    »Wenn wir ihn nicht verschrecken.«
    »Und das ist die Herausforderung. Es gilt, möglichst unauffällig vorzugehen. Wenn Sie ihm keinen Grund zur Beunruhigung liefern, besteht die Möglichkeit, dass er wiederkommt. Nicht nur, um eine weitere Leiche hier abzuladen. Sondern einfach nur so, um sich seinen Kick zu holen.«
    »Sie sind von der Abteilung Verhaltensforschung. Richtig?«
    Er gab keine Antwort, sondern blickte zu den Spurensicherungsexperten hinüber, die immer noch zwischen den Bäumen mit ihrer Suche beschäftigt waren. »Wenn wir verhindern können, dass die Medien Wind davon bekommen, haben wir vielleicht eine Chance. Aber wir müssen sofort Maßnahmen ergreifen.«
    Wir. Mit diesem einen Wort hatte er sich zu ihrem Partner aufgeschwungen, ungeachtet der Tatsache, dass sie seine Mitarbeit nicht gesucht, ihr nie zugestimmt hatte. Aber hier stand er nun und warf bereits mit Anweisungen um sich. Und das Ärgerlichste daran war, dass alle anderen ihr Gespräch mitverfolgten und sehr wohl begriffen, dass hier Rizzolis Autorität in Frage gestellt wurde.
    Nur Korsak mit seiner gewohnt direkten Art wagte es, sich einzumischen. »Entschuldigen Sie, Detective Rizzoli«, sagte er. »Wer ist dieser Gentleman?«
    »FBI«, antwortete sie, ohne den Blick von Dean zu wenden.
    »So? Könnte mir mal jemand erklären, seit wann das hier ein Fall für die Bundespolizei ist?«
    »Ist es nicht«, entgegnete sie. »Und Agent Dean wollte sowieso gerade gehen. Könnte jemand von den Herren ihm den Weg zeigen?«
    Für einen Moment trafen sich ihre und Deans Blicke. Dann tippte er sich zum Gruß an die Schläfe, womit er ihr wortlos zu verstehen gab, dass diese Runde an sie ging. »Ich finde mich schon zurecht, danke«, sagte er. Daraufhin drehte er sich um und ging in Richtung Golfplatz davon.
    »Versteh einer diese FBI-Fuzzis«, sagte Korsak. »Kommen sich immer gleich vor wie der King. Was hat das FBI überhaupt hier verloren?«
    Rizzoli starrte Gabriel Dean nach – eine graue Gestalt, die schon bald von der Dämmerung und den Bäumen verschluckt wurde. »Das wüsste ich auch gerne.«
     
    Lieutenant Marquette traf eine halbe Stunde später am Ort des Geschehens ein.
    Normalerweise war die Anwesenheit eines hohen Tieres am Tatort das Letzte, was Rizzoli sich wünschte. Sie mochte es gar nicht, wenn ein Vorgesetzter ihr bei der Arbeit über die Schulter schaute. Aber Marquette mischte sich nicht ein; er stand nur schweigend unter den Bäumen und sah sich alles an.
    »Lieutenant«, sagte sie.
    Er antwortete mit einem knappen Nicken. »Rizzoli.«
    »Was ist das für eine Geschichte mit dem

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