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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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immer informiert.«
    »Ist an diesem Fall irgendetwas außergewöhnlich?«
    Er sah sie einfach nur an, mit seinem kühlen, undurchdringlichen Blick. »Ich denke, die Opfer würden es so sehen.«
    Ihre Wut begann zum Ausbruch zu drängen wie ein Splitter unter ihrer Haut. »Diese Leiche wurde erst vor ein paar Stunden entdeckt«, sagte sie. »Werden Sie neuerdings immer so umgehend informiert?«
    Ein leises Lächeln spielte um seine Lippen. »Wir leben ja nicht hinter dem Mond, Detective. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns über Ihre Fortschritte auf dem Laufenden halten würden. Obduktionsberichte, Spurenauswertung, Kopien sämtlicher Zeugenaussagen…«
    »Das ist eine Menge Papierkram.«
    »Das ist mir bewusst.«
    »Und Sie wollen alles haben?«
    »Ja.«
    »Gibt es einen bestimmten Grund dafür?«
    »Sollten wir uns etwa nicht für eine Entführung und einen Doppelmord interessieren? Wir möchten eben an dem Fall dranbleiben.«
    Seine einschüchternde Art hinderte sie nicht daran, noch einen Schritt näher zu treten und ihn weiter zu provozieren: »Und wann gedenken Sie das Kommando zu übernehmen?«
    »Es bleibt Ihr Fall. Ich bin nur hier, um Ihnen zu assistieren.«
    »Auch, wenn ich dafür keinen Bedarf erkennen kann?«
    Ihr Blick schweifte zu den beiden Mitarbeitern der Gerichtsmedizin ab, die soeben mit der Bahre aus dem Wald gekommen waren und nun die Leiche in den Transporter luden.
    »Spielt es denn wirklich eine Rolle, wer den Fall bearbeitet?«, fragte er leise. »Solange nur dieser Täter gefasst wird?«
    Sie sahen dem Van nach, der die brutal geschändete Leiche in die Gerichtsmedizin abtransportierte, wo sie im grellen Licht des Autopsiesaals noch weiteren Demütigungen unterworfen würde. Gabriel Deans Worte hatten ihr mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt, wie unwichtig Fragen der Zuständigkeit hier waren. Gail Yeager war es gleich, wer das Verdienst für die Erfassung ihres Mörders beanspruchte. Sie würde nur wollen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde, ganz gleich, wer ihr zum Sieg verhalf. Rizzoli war ihr diese Gerechtigkeit schuldig.
    Aber sie wusste aus schmerzlicher Erfahrung, wie frustrierend es sein konnte, wenn männliche Kollegen sich die Ergebnisse ihrer harten Arbeit unter den Nagel rissen. Mehr als einmal hatte sie es erlebt, dass sie ihr in die Quere gekommen waren und sich mit unerschütterlicher Arroganz an die Spitze von Ermittlungen gesetzt hatten, die sie in minuziöser Detailarbeit aus bescheidenen Anfängen vorangetrieben hatte. Sie würde nicht zulassen, dass etwas Ähnliches hier ablief.
    »Ich weiß die Hilfe des FBI zu schätzen«, sagte sie. »Aber ich denke, wir haben im Moment alles abgedeckt. Ich werde Ihnen Bescheid sagen, falls wir Sie brauchen sollten.« Und damit machte sie auf dem Absatz kehrt und wollte gehen.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie die Situation richtig einschätzen«, sagte er. »Wir gehören jetzt zum selben Team.«
    »Ich entsinne mich nicht, die Unterstützung des FBI angefordert zu haben.«
    »Es ist alles von Ihrem Vorgesetzten abgesegnet: Lieutenant Marquette. Möchten Sie sich vielleicht bei ihm rückversichern?« Er hielt ihr sein Handy hin.
    »Ich habe selbst ein Handy, vielen Dank.«
    »Dann lege ich Ihnen dringend nahe, ihn anzurufen. Damit wir nicht noch mehr Zeit mit Revierkämpfen vergeuden.«
    Es verblüffte sie, wie mühelos er auf den fahrenden Zug aufgesprungen war. Und wie exakt sie ihn eingeschätzt hatte. Er war ein Mann, der sich nicht mit der Rolle des unbeteiligten Zuschauers zufrieden gab.
    Sie nahm ihr eigenes Handy aus der Tasche und begann die Nummer zu wählen. Aber ehe Marquette sich melden konnte, hörte sie Officer Doud ihren Namen rufen.
    »Für Sie – es ist Detective Sleeper«, sagte Doud und reichte ihr sein Funkgerät.
    Sie drückte die Sprechtaste. »Rizzoli.«
    Durch das statische Rauschen hindurch hörte sie Sleeper sagen: »Sie kommen vielleicht besser noch mal her.«
    »Was haben Sie denn gefunden?«
    »Äh … das sehen Sie sich am besten mit eigenen Augen an. Wir sind etwa fünfzig Meter nördlich von der Stelle, wo wir die Erste gefunden haben.«
    Die Erste!
    Sie drückte Doud das Funkgerät wieder in die Hand und stürmte los in Richtung Waldrand. In ihrer Eile bemerkte sie zunächst gar nicht, dass Gabriel Dean ihr folgte. Erst als sie in ihrem Rücken einen Zweig knacken hörte, drehte sie sich um und blickte direkt in sein grimmig entschlossenes Gesicht. Aber sie hatte jetzt wirklich

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