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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sonst, denn es war ihr selbst schon genauso gegangen. Sie kannte das Gefühl, zur Seite gestoßen zu werden und aus der Ferne zusehen zu müssen, wie andere sich für den Triumph feiern ließen, der in Wirklichkeit einem selbst gehörte.
    Sie sah auf die Uhr. »Ich fahre jeden Moment los. Wenn Sie dabei sein wollen, müssen Sie dort zu mir stoßen.«
    »Auf welcher Position sind Sie bei der Überwachung?«
    »Am Parkplatz gegenüber vom Smith-Spielplatz. Wir können uns am Golfplatz treffen.«
    »Ich werde dort sein.«

12
    Um zwei Uhr früh war die Luft in Stony Brook noch immer drückend schwül. Rizzoli saß mit Korsak in ihrem Wagen, den sie nah am Rand des dichten Unterholzes geparkt hatte. Von ihrem Posten aus konnten sie jedes Fahrzeug sehen, das von Osten her in den Park hineinfuhr. Weitere Beobachtungswagen waren entlang des Enneking Parkway stationiert, der Durchgangsstraße, die sich quer durch Stony Brook schlängelte. Ein Fahrzeug, das von einem der ungeteerten Parkplätze aus losfuhr, konnte in kürzester Zeit von allen Seiten umstellt werden. Die Falle würde sich zuziehen wie ein Sack, aus dem niemand entkommen konnte.
    Rizzoli schwitzte unter ihrer kugelsicheren Weste. Sie drehte das Fenster herunter und atmete das Aroma welker Blätter und feuchter Erde ein. Waldgerüche.
    »He, Sie lassen ja die ganzen Mücken rein!«, beschwerte sich Korsak.
    »Ich brauche die frische Luft. Hier drin stinkt’s nach Zigarettenrauch.«
    »Eine einzige hab ich mir angezündet. Ich kann überhaupt nichts riechen.«
    »Wer selber raucht, riecht nie was.«
    Er sah sie an. »Herrgott noch mal, die halbe Nacht giften Sie mich jetzt schon unentwegt an! Wenn Sie ein Problem mit mir haben, sollten wir vielleicht mal darüber reden.«
    Sie starrte aus dem Fenster auf die Straße, die dunkel und menschenleer dalag. »Es ist nicht Ihretwegen«, sagte sie.
    »Sondern?«
    Als sie keine Antwort gab, stieß er ein ironisches Grunzen aus. »Ach, wieder mal unser Freund Dean, wie? Was hat er denn jetzt ausgefressen?«
    »Er hat sich vor ein paar Tagen bei Marquette über mich beschwert.«
    »Was hat er ihm denn erzählt?«
    »Dass ich nicht die Richtige für den Job sei. Dass ich möglicherweise professionellen Beistand nötig hätte wegen ungelöster Probleme. «
    »Hat er damit den Chirurgen gemeint?«
    »Was glauben Sie denn?«
    »So ein Arschloch.«
    »Und heute erfahre ich, dass wir postwendend eine Antwort von CODIS bekommen haben. Das ist noch nie vorgekommen. Dean muss anscheinend nur mit den Fingern schnippen, und schon tanzt alles nach seiner Pfeife. Ich wüsste nur zu gerne, was er eigentlich hier zu suchen hat.«
    »Na ja, so ist das eben mit diesen Agenten. Es heißt doch immer: Information ist Macht. Also verweigern sie uns den Zugang dazu, weil das Ganze für sie ein albernes Macho-Spielchen ist. Sie und ich, wir sind doch für diesen Möchtegern-Bond nur Schachfiguren.«
    »Das verwechseln Sie jetzt mit der CIA.«
    »CIA, FBI.« Er zuckte mit den Achseln. »Diese ganzen Drei-Buchstaben-Organisationen, das ist doch alles eine einzige Geheimniskrämerei.«
    Im Funkgerät knackte es. »Hier Posten drei. Wir haben ein Fahrzeug – Limousine neueren Baujahrs, fährt in südlicher Richtung auf dem Enneking Parkway.«
    Rizzoli wartete angespannt auf die Meldung des nächsten Teams.
    Sie hörte Frosts Stimme: »Posten drei. Wir können das Fahrzeug sehen. Fährt immer noch Richtung Süden. Sieht nicht aus, als ob es abbremst.«
    Sekunden später meldete sich eine dritte Einheit: »Posten fünf. Er hat gerade die Abzweigung Bald Knob Road passiert. Fährt Richtung Parkausgang.«
    Nicht unser Bursche. Selbst zu dieser frühen Morgenstunde war der Enneking Parkway schon recht stark befahren. Sie wussten gar nicht mehr, wie viele Fahrzeuge sie schon auf dem Weg durch den Park observiert hatten. Zu viele jedenfalls; und immer war es falscher Alarm gewesen. Dazwischen die ermüdend langen Pausen – ihre Konzentration hatte rapide nachgelassen, und der Schlafmangel ließ sie in einen Zustand träger Apathie sinken.
    Sie lehnte sich mit einem Seufzer der Enttäuschung zurück. Der Wald lag vor ihnen wie eine schwarze Wand; nur hier und da tanzte ein Glühwürmchen in der Finsternis. »Komm schon, du Schwein«, murmelte sie. »Komm zu Mama …«
    »Möchten Sie ’nen Kaffee?«, fragte Korsak.
    »Danke.«
    Er schenkte ihr aus seiner Thermoskanne ein und reichte ihr den Becher. Der Kaffee war schwarz und bitter und ziemlich ekelhaft,

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