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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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aber sie trank ihn trotzdem.
    »Für heute Nacht hab ich ihn extra stark gemacht«, sagte er. »Zwei Messbecher statt einem. Da wachsen einem Haare auf der Brust.«
    »Vielleicht ist es das, was ich brauche.«
    »Ich bilde mir ein, wenn ich genug von dem Zeug trinke, wandern vielleicht ein paar von den Haaren zurück auf meinen Kopf.«
    Sie blickte hinaus in den Wald, wo die Dunkelheit moderndes Laub und Tiere auf der Suche nach Nahrung verbarg. Tiere mit scharfen Zähnen. Sie dachte an die angefressenen Überreste der rachitischen Frau, an Waschbären, die an Rippen nagten, an Hunde, die Schädel wie Bälle umherrollten, und die Szene, die sie vor ihrem geistigen Auge sah, war alles andere als eine Bambi-Idylle.
    »Ich darf schon gar nicht mehr von Hoyt sprechen«, sagte sie. »Kaum erwähne ich seinen Namen, ernte ich diese mitleidigen Blicke. Gestern habe ich versucht, auf die Parallelen zwischen dem Chirurgen und unserem neuen Burschen hinzuweisen, und ich konnte sehen, wie Dean dachte: Der Chirurg spukt ihr immer noch im Kopf herum. Er glaubt, ich bin besessen.« Sie seufzte. »Vielleicht bin ich das auch. Vielleicht wird es immer so sein. Ich komme an irgendeinen Tatort und sehe sofort seine Handschrift. Jeder Täter wird seine Züge tragen.«
    Ihre Blicke gingen zum Funkgerät, als sie die Durchsage der Zentrale hörten: »Wir haben gerade einen Anruf reinbekommen. Friedhof Fairview – verdächtige Person gesichtet. Irgendwelche Wagen in der Nähe?«
    Niemand antwortete.
    Die Zentrale wiederholte die Aufforderung: »Ein Wagen zum Friedhof Fairview – verdächtige Person gesichtet. Wagen 12, sind Sie noch in der Gegend?«
    »Wagen 12. Wir sind bei dem Zehn-Vierziger in der River Street. Es ist ein Code 1. Können nicht fahren.«
    »Verstanden. Wagen 15. Wie ist Ihre Zehn-Zehn?«
    »Wagen 15. West Roxbury. Immer noch bei diesem Missile 6. Diese Leute wollen sich einfach nicht beruhigen. Schätze, wir können frühestens in einer halben oder einer Stunde in Fairview sein.«
    »Irgendwelche anderen Wagen?«, fragte die Zentrale, die offenbar vergeblich den Äther nach einem verfügbaren Team abklapperte. In einer warmen Samstagnacht war ein routinemäßiger Check auf einem Friedhof kein Einsatz von allzu hoher Priorität. Die Toten kümmert es nicht, wenn über ihnen Liebespaare turteln oder Teenager randalieren. Ein Polizist muss immer zuerst an die Lebenden denken.
    Die Funkstille wurde von einem Mitglied von Rizzolis Observierungsteam gebrochen: »Äh, hier Posten fünf. Wir stehen am Enneking Parkway. Der Fairview-Friedhof ist ganz in unserer Nähe …«
    Rizzoli schnappte sich das Mikrofon und drückte die Sprechtaste: »Posten fünf, hier Posten eins«, fuhr sie dazwischen. »Verlassen Sie nicht Ihre Stellung. Verstanden?«
    »Wir haben hier fünf Wagen zur Überwachung …«
    »Der Friedhof ist nicht unsere Priorität.«
    »Posten eins«, meldete sich die Zentrale. »Alle Einheiten sind derzeit im Einsatz. Könnten Sie eventuell einen Wagen entbehren?«
    »Negativ. Ich will, dass mein Team die Stellung hält. Verstanden, Posten fünf?«
    »Zehn-vier. Halten die Stellung. Zentrale, wir können den Einsatz nicht übernehmen.«
    Rizzoli atmete tief durch. Am nächsten Tag würde es vielleicht Beschwerden wegen dieses Vorfalls geben, aber sie war nicht bereit, auch nur ein Fahrzeug aus ihrem Überwachungsteam zu opfern; nicht für ein so triviales Vorkommnis.
    »Es ist ja nicht so, als wäre hier bei uns die Hölle los«, meinte Korsak.
    »Aber wenn etwas passiert, wird es blitzschnell gehen. Ich werde nicht zulassen, dass uns irgendetwas den Zugriff vermasselt.«
    »Wissen Sie noch, worüber wir uns vorhin unterhalten haben? Über die Frage, ob Sie vielleicht besessen sind?«
    »Jetzt fangen Sie nicht wieder damit an!«
    »Nein, ich lasse schön die Finger davon. Sonst reißen Sie mir am Ende noch den Kopf ab.« Er öffnete seine Tür.
    »Wohin wollen Sie?«
    »Muss mal pinkeln. Brauche ich dafür eine Genehmigung?«
    »Ich frage ja nur.«
    »Dieser Kaffee saust nur so durch mich durch.«
    »Kein Wunder. Mit Ihrem Kaffee könnte man ein Loch in eine Eisenplatte ätzen.«
    Korsak stieg aus und begann schon an seinem Hosenschlitz zu nesteln, während er auf den Waldrand zuging. Er dachte gar nicht daran, sich hinter einen Baum zu stellen, sondern pflanzte sich einfach breitbeinig hin und urinierte ins Gebüsch. Das brauchte sie sich nun wirklich nicht anzusehen. Sie wandte sich angewidert ab. In jeder Klasse

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